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Kultur: Der blaue Wolf

Bilder und Skulpturen von Malte Brekenfeld in der Sperlgalerie

Stand:

Bilder und Skulpturen von Malte Brekenfeld in der Sperlgalerie Von Pieter Bruegel d.Ä., dem niederländischen Maler des 16. Jahrhunderts, heißt es, er habe auf seiner einzigen Italienreise die durchwanderten Landschaften beständig in sich eingesogen, um sie später im heimischen Atelier auf Papiere, Leinwände und Druckplatten auszuspeien. Eine Expedition durch die menschlichen Gefilde scheint der noch nicht 40-jährige Maler Malte Brekenfeld aus dem mecklenburgischen Repnitz nahe Güstrow hinter sich zu haben. Die Sperlgalerie zeigt gut 30 seiner gemalten, gezeichneten und skulptierten Arbeiten aus den letzten beiden Jahren. Und es ist, als lade Brekenfeld ein, etwa zu jener „Amourösen Gesellschaft zu mitternächtlicher Stunde“, auf der ein rot glühender Teufel einer verwunderten Nackten an die Brust greift und ihr dabei ins Gesicht grinst. Als gleich zwei alter egos schaut ihm sein schwarzer Schatten über die Schulter, hält ein anderer Teufel die Schöne um die Beine gepackt. Zweifellos, ohne Umschweife greift der Maler hinein in menschliche Lust, Leiden und Leben, steuert geradlinig auf Erotisches los und lässt den Betrachter als Voyeur daran teilhaben. Doch es kommt neben den Haupt-, auch auf die Nebenfiguren und -figürchen an, auf die kleineren Szenen, die das zentrale Geschehen begleiten. So setzt der herandrängende Teufel der nächtlichen Liebesgesellschaft zum Kniefall auf einem pummeligen Küken an, während im Hintergrund ein Haus in Flammen gerät. So balancieren bei der „Ukrainischen Akrobatenfamilie auf Sommerurlaub in nördlichen Gefilden“ eine dralle Schöne und ein Amor auf den Stangen des Vaters, der gleich Christopherus seine huckepack aufgeschnürten Lieben übers Wasser geleiten will, während vom Drahtseil, das sich von Ufer zu Ufer spannt, ein Figürchen seinen Manneke-Pis-Kommentar abgibt. Viel ist fraglos auf Brekenfelds Arbeiten zu entdecken und zu sehen. Viel hat unzweifelhaft auch der Maler in der Geschichte der Kunst gestöbert. Vom spätgotischen Hausbuchmeister über Altmeister Dürer und die niederländischen Traumweltbilder-Genies Bruegel und Bosch zu barocken Stillleben von Kalf, deHeem und Heda und modernen Malern – Klee wurde genannt, aber auch Margritte – führte offenbar der Weg seiner Augen. Seine Arbeiten mit Werken jener Meister in Beziehung und Vergleiche zu setzen, lastet jedoch zu schwer auf den Schultern, des seit 1993 als freiberuflicher Zeichner, Maler und Objektkünstler Tätigen, selbst eingedenk der Stipendien und Preise, der Verkäufe an die öffentliche Hand und Ausstellungen seit 1990, davon mehrere in Potsdam. Natürlich liegt es nahe, gerade die colorierten Zeichnungen in Mischtechnik mit den in vielerlei Hinsicht fantastischen Werken Hieronymus Boschs zu vergleichen. Die Fantasiewesen des Altmeisters und die Chimären Brekenfelds ähneln sich prinzipiell in ihrer Kombinatorik, wie beiden auch eine verwandte Fabulierlust und mottogleiche Aufschriften ihrer Gebilde eigen ist. Aber wie könnte Brekenfeld auch Boschs ungeheuren Schritt, die Alltagswelt zur hohen Kunst zu erheben und in ihr unheimliche Schönheit zu entdecken, in der Postmoderne leisten? Doch nur in der Simulation der älteren Leistungen. Vielleicht ist es den großen Vorbildern geschuldet, dass Brekenfeld grafisch zu so lyrisch-zarten Blättern wie „Laß mich dein Fjord sein“ gelangt, auf dem zwei Liebende als Landmassen aufeinander zutreiben und ihre Vorgebirge ineinander verhaken. Und „Die Insel der Glückseeligkeit“ – im Titel grüßt Heinses „Ardinghello“ – ist ihm als Frau-Kontinent, schwanger und mit großen Brüsten, erschienen, umkreist von Kriegsschiffen und anderem Getier. Am meisten können aber die Stillleben Brekenfelds überzeugen, weil sie nicht mit der häufig manieristischen Altersweisheit, sondern eigenem Leben als sich entladende Fruchtgewitter dem Betrachter entgegen springen. Und so eindeutig und doch nicht aufdringlich hier die erotischen Anspielungen sind, durchpulst diese Bilder wirkliches und kein erborgtes Leben. Inmitten all dieser künstlichen Kopfkreaturen scheint es sich der Maler selbst bequem gemacht zu haben. Verwandelt als „Der blaue Wolf“, der abgenagte Knochen im Bauch zeigt und das spindeldürre Gemächt in dynamischer Spirale aufgerichtet hält, die dürr-sehnigen Gliedern gespannt hält und trotz lechzend hängender Zunge stets bereit ist – zum nächsten Sprung hinein ins volle Menschenleben. Götz J.Pfeiffer Bis 17. Oktober in der Sperlgalerie, Mittelstr. 30. Mi-So 12-18 Uhr. Künstlerheft 3,- Euro. Kataloge 8,- Euro. www.sperlgalerie.de

Götz J.Pfeiffer

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