Potsdamer Künstler Sprotte: Der Blick des Malers
Am heutigen Samstag eröffnet die Siegward-Sprotte-Retrospektive „Die Welt farbig sehen“
Stand:
Durch diese Ausstellung führt der Künstler selbst. Mit ausgewählten Worten und nicht selten an ungewöhnlicher Stelle. „Ich zeichne mit dem Bleistift! Zum Zeichnen braucht man Stahlnerven! Die bekommt man hier auf Rügen!“, steht da an den Treppenstufen im Potsdam Museum. Am 25. Mai 1932 hat Siegward Sprotte das in seinem Tagebuch notiert. Ein paar Stufen weiter steht ein Zitat aus dem Jahr 1983: „Die Welt farbig sehen kann nur, wer sein Bewusstsein gegenwärtig erkennend bindet.“
„Die Welt farbig sehen“ ist auch der Titel der Siegward-Sprotte-Retrospektive, die am heutigen Samstag um 16 Uhr im Potsdam Museum im Alten Rathaus eröffnet wird. Es ist die zweite Ausstellung am neuen Standort und die erste zur Bildenden Kunst. Anlass ist der Geburtstag des gebürtigen Potsdamers Sprotte, der sich am 20. April zum 100. Mal jährt. Bis zum 14. Juli sind mehr als 160 Arbeiten des Malers zu sehen. Danach geht die Ausstellung nach Schleswig Holstein und wird dort im Kloster Cismar gezeigt. Denn zusammen mit dem Schleswig-Holsteinischen Landesmuseen Schloss Gottorf hat das Potsdam Museum „Die Welt farbig sehen“ zusammengestellt.
Es ist eine Ausstellung, die einen weiten Bogen schlägt und, wie Jutta Götzmann, Direktorin des Potsdam Museums, bei einer Vorbesichtigung am gestrigen Freitag sagte, nicht nur die Kunst Siegward Sprottes zeigt, sondern mit Arbeiten von 1929 bis 2003 im Grunde das gesamte 20. Jahrhundert abdecken möchte. Und weil Sprottes Schaffen zeitlebens von interdisziplinären Ansätzen geprägt war, er seine Arbeit, seine Kunst immer als eine Art Dialog, als Wechselwirkung verstand, ist „Die Welt farbig sehen“ auch nicht chronologisch, sondern motivisch und thematisch aufgebaut. In acht Blöcken aufgegliedert spannt die Ausstellung auf 600 Quadratmetern den künstlerischen Bogen von den frühen 1930er-Jahren bis hin zu seinem Spätwerk. Als imaginäre Schnittstelle dient das Jahr 1945. Die Zeit davor thematisiert in der Ausstellung vor allem die Potsdamer Jahre und Sprottes Anfänge als Maler. In der Zeit nach 1945 wird Kampten auf Sylt zum Lebensmittelpunkt des Malers und Sprottes Entwicklung hin zu einem immer reduzierteren, in den späten Jahren fast schon kalligrafischen Stil.
Neben den zahlreichen Ölgemälden, Aquarellen, Tempera, Zeichnungen und Skizzen steht in der Potsdamer Ausstellung auch der schreibende Siegward Sprotte im Mittelpunkt. So wurden im Vorfeld die beiden ersten Tagebücher des Malers transkribiert und mit ein paar Beispielen für eine Medienstation aufbereitet. Denn die Ausstellung wolle auch, so Jutta Götzmann, den Menschen Siegward Sprotte näherbringen. Und weil für den schon in frühen Jahren die Literatur und das Schreiben existenziell waren, er am Anfang vor der Entscheidung stand, entweder zu malen oder zu schreiben, ist die Auseinandersetzung mit seinen Tagebüchern unabdingbar. Hier finden sich schon früh die Bezüge zur Literatur von Goethe und Nietzsche, später zu Lao-tse. Und auch seine Auseinandersetzung mit alten Meistern wie Dürer oder Pierro della Francesca.
Betritt man den Galerieraum, in dem die Ausstellung eröffnet wird, ist da sofort dieser Bezug zu den alten Meistern offenkundig. Denn gleich blickt den Besucher Sprotte in seinem „Selbstbildnis mit Lebensbaum“ aus dem Jahr 1937 entgegen, das viele Parallelen zu Dürers „Selbstbildnis im Pelzrock aufweist“. Oder Sprottes „Frau mit Bernsteinkette“, das auch als Studie von della Francescas Porträt der Battista Sforza gelesen werden kann. Doch schon früh erkannte Sprotte die Grenzen des Porträts, das für ihn, der den Dialog suchte, immer nur ein Monolog sein konnte. Den Dialog, den er suchte und der ihm auch die künstlerische Entwicklung ermöglichte, die er brauchte, fand er in der Natur.
Diese malerische Auseinandersetzung mit der Natur bestimmt den Großteil der Ausstellung und zeigt gerade im Zyklus zu den Wellenbildern, welche Bedeutung und Wertigkeit die Farbe für Sprotte hatte. Es empfiehlt sich, die vier hervorragenden Essays in dem Ausstellungskatalog zu lesen und sich dann auf die Welt Sprottes einzulassen. Und das mit einem Zitat des Malers über sein Vorbild und Lehrer Karl Hagemeister im Hinterkopf: „Auf Hagemeisters ältere Zeichnungen könnte ich stundenlang hinstarren, nicht essen und nicht trinken, nur von ihnen leben.“ Denn es gibt in diese Ausstellung Bilder des Malers Siegward Sprotte, mit denen es einem genauso geht.
Die Austellung „Die Welt farbig sehen“ eröffnet am heutigen Samstag, 16 Uhr, im Potsdam Museum, Am Alten Markt, und ist bis zum 14. Juli immer dienstags bis sonntags, 10-17 Uhr, donnerstags bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 5, ermäßigt 3 Euro. Der Katalog zur Ausstellung kostet 23 Euro im Museumsshop
Dirk Becker
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: