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Kultur: Der Charme des Augenblicks

Erstes Gartenkonzert in der Villa Schöningen

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Der Cellist sitzt im Schatten einer riesigen alten Buche, Sommergrün, Hortensienweiß und ein Streifen Havelblau liegen in der Nachmittagswärme dahinter. Nur ein ausrangierter Wachturm setzt ein historisches Zeichen im Garten der Villa Schöningen. Hier an der Glienicker Brücke, wo politische Fakten und fantastische Fiktionen so symbolträchtig verwoben sind, erklingt erstmalig eine kleine Serenadenmusik.

Ganz im Stil des Hauses präsentieren Clemens Trautmann, Klarinette, und Julian Arp, Violoncello, vor gut einhundert Zuhörern eine originelle Mischung aus Tradition und Moderne, künstlerischem Anspruch und emotionaler Ansprache. Das Ganze lebt vom Charme des Augenblicks. Sicher beeinträchtigt die Plein-Air-Stimmung das musikalische Hören im Detail, andererseits tragen die vielen Nebengeräusche zum entspannten Ambiente der pittoresken Performance bei.

Umstandslos nimmt Julian Arp unter der Buche Platz und beginnt, die erste Suite für Solo-Cello von Johann Sebastian Bach zu spielen. Wenn nicht gerade ein BVG-Bus vorbeibraust, flirren die filigranen Tonkaskaden, die der sympathische Cellist auf seinem Instrument hervorbringt, wie Lichtblitze auf dem Wasser. Gut gelaunt erläutert Clemens Trautmann die Fantasie für Klarinette solo, eines der ersten Stücke von Jörg Widmann, ebenfalls Klarinettist und heute einer der bekanntesten deutschen Komponisten: „Das ist ein moderner Walzer. Hören Sie den Dreier-Rhythmus?“, fragt er und spielt eine ziemlich vertrackte Passage. Auf freimütiges Kopfschütteln spielt er sie noch einmal, bevor er richtig loslegt und dabei die Klarinette in ein geschmeidiges Tier verwandelt, das mehr Töne als alle Fauna des Urwalds zusammen hervorbringt. Dass hier zum Keckern der Klarinette auch mal das Knattern eines Mopeds sozusagen als zweite Stimme erklingt, tut dem Spaß keinen Abbruch. Der musikalisch und verbal so eloquente Spieler Clemens Trautmann hat übrigens nicht nur ein Musikstudium absolviert, sondern gleichzeitig noch Jura bis zur Promotion studiert, was ihm derzeit sein Auskommen sichert. Kaum zu glauben, dass Györgi Ligetis Sonate für Cello solo schon ein halbes Jahrhundert alt ist, so lebendig wird sie von Julian Arp zu sprechenden Tönen erweckt. Leider existieren nur sehr wenige Originalwerke für die Kombination von Cello – Klarinette und keines davon ist zu hören. Beim Adagio von Wolfgang Amadeus Mozart übernimmt das Cello daher gerade mal die Rolle der drei Bassetthörner.

Wie gut der Klang beider Instrumente miteinander harmoniert, zeigt sich beim Medley bekannter Melodien der Klezmer-Musik. Gemeinsam ziehen Julian Arp und Clemens Trautmann alle Register menschlicher Gefühle und verbreiten etwas von der glückhaften Stimmung einer jüdischen Hochzeit. Mit dem alten Klezmer-Lied „Bei mir bist du schön“ und einem schrägen Walzer von Dmitri Schostakowitsch endet das kleine Konzert unter viel Applaus.

Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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