Kultur: Der Clevere gewinnt Erste Vorrunde im „Saturday Fight Club“
Am Ende bleibt die ernüchternde Erkenntnis, dass beim „Saturday Fight Club“ nicht zwingend die beste, sondern die cleverste Band gewinnt. Freitagnacht im Lindenpark und 46 Besucher geben ihre Stimme.
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Am Ende bleibt die ernüchternde Erkenntnis, dass beim „Saturday Fight Club“ nicht zwingend die beste, sondern die cleverste Band gewinnt. Freitagnacht im Lindenpark und 46 Besucher geben ihre Stimme. Drei Bands, Soulbeach, Fear and Loathing und Johnny Oh, haben in der ersten von vier Runden des lokalen Bandwettbewerbs gespielt. Die Sieger der Vorrunden spielen Ende September um die Teilnahme am Landesrockwettbewerb.
Drei Pappkartons am Bühnenrand dienen als Wahlurnen, aufgeregt scheucht man einander zur Stimmabgabe. Gerade soll die Auszählung beginnen, da hetzt einer nach draußen und treibt kurze Zeit später drei Herren in den Saal. Die haben den Abend vorwiegend auf der Treppe vor dem Lindenpark verbracht und die Konzerte nur als Hintergrundrauschen wahrgenommen. Sie werfen ihre Eintrittskarte, die als Stimmzettel dient, in den Karton für Johnny Oh. Mit einer Stimme Vorsprung gewinnen Johnny Oh und man leidet mit den Zweitplatzierten, den fünf Jungs von Fear and Loathing, deren Auftritt eingeschlagen war wie ein krachendes Gewitter.
Das Berlin-Potsdamer Duo Soulbeach eröffnet den „Saturday Fight Club“. Zwei sich zäh und träge schleppende, effektlastige Gitarren, dazu der gepresst-nuschelnde Gesang von Lars Seeger. Hard-Rock-Blues im Zeitlupentempo, deren Melodien sich sperrig und kantig geben, einander umtorkeln und nur selten zueinander finden. Seeger knurrt mehr als dass er singt. „Talk“, „You“ und „Islands of hope“, mal offenkundige, mal versteckte Verneigung vor Metallica, liegen die Lieder wie die Schwüle vor der Tür im Saal. Das Tempo bleibt gedrosselt. Wut ist hier am effektvollsten, wenn sie kurz vor dem Ausbruch verharrt.
Mit Fear and Loathing dann die Erlösung. Die Jungs aus Elstal bei Nauen stehen mit grenzenlosem Selbstvertrauen auf der Bühne und reiten schon mit dem ersten Akkord eine Attacke, die sich während ihres Auftritts immer wieder zu aberwitzigen Höhen aufschwingt und mit allen Mitteln eines verhindert: Tempo zu verlieren. Hier wird alles geboten. Die große Geste zum einfachen Riff, die bekannte Kraftmeierei am Mikrofonständer, die brennende Zigarette à la Keith Richards zwischen den Gitarrensaiten, halsbrecherisches Gezappel und die Lederjacke über haarloser Jünglingsbrust. Rock und Pop von der Insel sind Vorbild dieser jungen Band.
Auf dem Köfferchen für die Effektgeräte klebt ein Beatles-Aufkleber, der Bassist trägt ein T-Shirt der Arctic Monkeys – Fear and Loathing marschieren mit ausholendem Stechschritt durch die englische Musikgeschichte ohne Rücksicht auf Verluste. Da wird der Britpop geschüttelt, bis die Knochen knacken. Allzu offensichtliche Vergleiche mit den Vorbildern? Egal! Die Fünf toben wie ein Elefant durch den musikalischen Porzellanladen und man ist dankbar für jede Scherbe.
Mit Johnny Oh prasselt dann der Funk mit einem treibenden, förmlich zuschnappenden Bass und messerscharfem Gitarrenspiel in den Lindenpark. Die vier Werderaner bieten an diesem Abend die musikalisch ausgereifteste Show. Nur aus der Ferne grüßen die Red Hot Chili Peppers, ansonsten Durchschnitts-Metal mit ausgiebigen Grunzgesängen. Man könnte genießen, wären da nicht die allzu einfallslosen Texte, in denen es mal wieder um gebrochene Flügel geht, mit denen es sich schlecht fliegen lässt. Als dann der einzige deutsche Text über eine Party an der Reihe ist, möchte man sich fast schon peinlich berührt abwenden.
Dass am Ende Johnny Oh vorn liegen, ist vor allem der Cleverness der vier Musiker geschuldet. Wo das Publikum über den Sieg entscheidet, muss man die Massen mobilisieren. Johnny Oh haben das getan. Die Jungs von Fear and Loathing sollten beim nächsten Versuch mehr Kumpels mitbringen. Oder die wenigen, die da sind, einfach darum bitten, dass jeder zwei Eintrittskarten, sprich zwei Stimmzettel kauft. Dirk Becker
Dirk Becker
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