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Kultur: „Der Fall Judas“

Junge Friedensgemeinde setzte Jens-Text in Szene

Stand:

Judas gilt als der Erzverräter schlechthin. Für Geld lieferte er Jesus ans Kreuz. Für 30 Silberlinge. Ihretwegen beging er das größtmögliche Verbrechen: den Verrat am Messias. Das lesen wir so im Neuen Testament. Walter Jens rollte den Fall Judas 1975 neu auf – in einem fiktiven Gerichtsreport, der ein neues Urteil fällt: Die Kirche muss den Verräter als „ersten Märtyrer der Christenheit“ heilig sprechen. Schließlich hatte Judas eine göttliche, wenn auch schändliche Mission zu erfüllen; er hatte unter den Jüngern das schwerste Los gezogen. Nicht zuletzt verdankt ihm die christliche Kirche ihren Gründungsmythos: ohne Judas kein Verrat, ohne Verrat keine Kreuzigung und ohne Kreuzigung keine Auferstehung. Vielleicht war Judas der einzige, dem Jesus wirklich vertraute – dem er zutraute, den zur Erfüllung der Prophezeiung notwendigen Verrat zu begehen. Für so manchen Christen schwer nachvollziehbar, sogar provokant.

Pfarrer Markus Schütte und die Junge Friedensgemeinde haben den „Fall Judas“, diesen gewagten Text von Walter Jens, nun in Szene gesetzt. Die Friedenskirche Sanssouci diente ihnen für zwei Vorstellungen als Bühnenraum, am kommenden Samstag der Dom zu Brandenburg (19.30 Uhr).

Ein Stück gemeinsamen Wegs gingen Judas und Jesus. Davon erzählt der Roman „Mirjam“ von Luise Rinser. Daraus montierte Markus Schütte geschickt Szenen in den Text von Walter Jens. Mit den dargestellten Passagen, den Wundern und den Reden Jesu, den Gesprächen zwischen Judas, Mirjam und ihrem Rabbi, wird das Geschehen um den in die Ecke gestellten Jünger noch deutlicher: Judas als suchender Mensch, als Unruhegeist, der Jesu animieren möchte, den Aufstand gegen die römische Besatzung sofort aufnehmen möchte, wenn es sein muss, mit Gewalt. Judas, ein Revolutionär.

Es ist erstaunlich, wie die jungen Laiendarsteller unter der Regie von Markus Schütte die großen, oftmals auch komplizierten Texte bewältigen, farbenreich und ohne technische Hilfsmittel sprechen. Im weitgehend reduzierten Spiel, das auf zwei Ebenen (Gericht und biblische Szenen) gezeigt wird, halten sie stets die Spannung, gleiten nie ins Private ab. Leidenschaftlich, mit viel Herzblut erarbeitete man das Stück. Und so haben es auch Florian Lengle als Judas, Franz Schönbeck als Jesus, die Gerichtspersonnage mit Franziskus Kuhnt, Henrike Kaletta und Mia Wätzel sowie die zwölf anderen Darsteller zur Aufführung gebracht. Langer begeisterter Beifall beendete die Aufführung. Klaus Büstrin

Klaus BüstrinD

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