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Kultur: Der Feminismus frisst seine Kinder

Hot-Pot: „Drei Engel für den Weihnachtsmann“

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Lasziv schwang Jule Stephan ihren voluminösen Körper in der Enge der Waschbar-Bühne, drehte und wendete sich zur euphorisierenden Musik und zeigte schwarz bestrumpftes Bein, bevor sie sich ihres Mantels entledigte und ganz kleine Engelsflügelchen auf ihrem Rücken zum Vorschein kamen. „Drei Engel für den Weihnachtsmann“ nennen die drei Schauspielerinnen, die aus der Hot-Pot-Reihe übrig geblieben sind, ihr Advents-Varieté, und beschäftigten sich am Samstag etwas länger als eine Stunde mit dem beklagenswerten Schicksal der einsamen Frau. Sie monologisierten, sangen, tanzten und kreischten, je nachdem, eben so, wie Mann es von der Frau erwartet.

Selbst wenn die drei Freundinnen gemeinsam Heiligabend verbringen, kann sich keine von ihnen aus der Selbstbespiegelung und -beweinung lösen. Alexandra Röhrer mit hochschwangerem Bauch wollte immer wieder ihre Geschichte erzählen, doch die beiden anderen lehnten vehement ab. Katharina Voß las mit Schwarzhaarperücke, aschfahlem Gesicht und unbewegt-tränenunterdrückter Stimme ihre Briefe an Robbie Williams, der wohl als einziger Mann die Fähigkeit des Geliebt-Werdens besitzt, nicht wie all die anderen, über die sie sich bei ihm beklagte und die sie doch lieben würde, wenn sie es zuließen.

Durch das Selbstmitleid verharrte jede der drei Freundinnen in ihrer Muschel, keine Gelegenheit wurde ergriffen, das Beisammensein auch als solches wahrzunehmen. Frau suhlte sich im Unglück, wobei allein Jule Stephan durch ihre Fähigkeit, sich an einem Keks erotisch zu ergötzen, noch sinnliche Freude verströmte. Beim Geschenke-Verteilen entlarvte sich die Hinwendung zur jeweils „besten Freundin“ – eine Gurke für die Dicke, Kondome für die Schwangere, blonde Perücke für die Schwarzhaarige – als Boshaftigkeit mit zickigem Hintersinn.

Dass man bei soviel negativem Gepäck doch noch lachen konnte, lag an der Kurzweiligkeit und der raschen Abfolge der Darbietungen: mal tanzten sie zu dritt, wild die Verzweiflung bannen wollend, mal sang Jule Stephan mit ihrem vollen Timbre, mal las Katharina Voß die Weihnachtsgeschichte auf schwäbisch vor. „Nuff nooch Nazareth“ sprach sie so liebevoll aus, dass es zum Lachen war. Und am Ende durfte sie doch noch ihre Geschichte erzählen, der große Erfolg, als sie in London dem Musikeridol den Hof machte, ohne zu heftiges Begehren zu zeigen, so dass er sie schließlich mit nach Hause nahm. Ob der dicke Bauch auf ihn zurückzuführen sei, blieb am Ende offen, denn die ausschweifende Erzählung war dann auch dem Publikum genug.

Sinnfällig demonstrierten die drei Grazien die Endlosschleife der verzweifelten und vielleicht unzeitgemäßen Partnerfixierung in Zeiten der Unmöglichkeit der Liebe. Und man blieb trotz aller Lacher mit der Erkenntnis zurück, dass der Feminismus der Einsamkeit mehr Vorschub geleistet hat, als es die Frauen damals beabsichtigten. Lore Bardens

Lore Bardens

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