
© M. Thomas
Von Andrea Schneider: Der für die Sozialdramen
David Lode nähert sich in seinem Buch „Abenteuer Wirklichkeit“ dem Filmregisseur Andreas Dresen
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Wenn man ihn auf dem Podium so sitzen sieht, in dunkler Hose und schlichtem Pulli, die Stimme freundlich und leise, kann man kaum glauben, dass dieser Andreas Dresen Urheber von Filmen wie „Nachtgestalten“, „Halbe Treppe“ oder „Sommer vorm Balkon“ ist. Ihm haften weder Pathos, noch Überheblichkeit noch übertriebene Intellektualität an.
Es ist Freitagabend und der Saal des Potsdamer Filmmuseums ist gut gefüllt. Trotz der eisigen Kälte draußen und des Weihnachtseinkaufstrubels haben doch erstaunlich viele Filminteressierte den Weg hierher gefunden. Auf dem Programm steht die Präsentation des Buches „Abenteuer Wirklichkeit“, in dem sich der junge Journalist und Autor David Lode mit dem bisherigen Schaffen des erfolgreichen Filmemachers auseinandersetzt. Die Moderatorin Milena Fessmann, fleißigen Radiohörern bereits durch ihre Sendung Free Falling bei Radio Eins bekannt, übernimmt die Dramaturgie des Abends und leitet ihre beiden Gäste charmant und locker durch das Gespräch. Man spürt, dass sich alle drei auf gleicher Augenhöhe befinden und sehr gut wissen, worüber sie reden. Die Moderatorin, selbst Musikberaterin für den Film, zeigt Souveränität und hört ihren Gästen zu.
Andreas Dresen gibt sich im Gespräch natürlich und unverstellt. Über Ängste spricht er genauso selbstverständlich wie über die Ärgernisse oder die kleinen magischen Momente der Freude beim Dreh. Von dieser Offenheit profitierte auch der junge Autor und Journalist David Lode. Er hatte sich, nach einer umfassenden Werkschau Dresens, zum Ziel gesetzt, dessen filmisches Können genauer unter die Lupe zu nehmen.
Entstanden ist mit „Abenteuer Wirklichkeit“ ein Buch, das dem Weg Dresens vom Theaterkind zum erfolgreichen Regisseur folgt und dessen künstlerischen Werke einer klugen Analyse unterzieht. Dabei hat der Autor nicht nur sorgfältige Recherchearbeit geleistet, sondern dem Regisseur auch immer wieder die Möglichkeit gegeben, sich zu äußern und aktiv am Entstehungsprozess des Buches teilzuhaben.
Das Buch ist keine Biografie. Im Gespräch darauf angesprochen, lacht Andreas Dresen und gibt zu verstehen, dass Biografen bei ihm in dreißig Jahren gern einmal wieder anklopfen dürften. Eine Werkschau wie diese allerdings fände er spannend, gibt sie ihm doch auch die Möglichkeit, das eigene Schaffen nocheinmal einer Draufsicht zu unterziehen.
Dem Leser öffnet sie die Welt eines großen, deutschen Regisseurs, der, als Sohn eines Theater- und Opernregisseurs, bereits als Schüler erste Filme mit der Schmalfilmkamera dreht. Heute ist er einer, der ausgetretene Pfade verlässt und neue, spannendere Wege geht. Einer, der kritisch mit sich selbst ist, seinen Ängsten Gehör schenkt und seinem Team vertraut. Nur so konnten Filme wie „Halbe Treppe“ oder „Wolke 9“ entstehen, Filme, die zu großen Teilen mit der Handkamera gedreht sind und in denen auf ein Drehbuch verzichtet wurde. Der Regisseur, dem die eigene Arbeit oft zu brav scheint, gibt seinen Schauspielern so die Möglichkeit, ihre gesamten improvisatorischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Reissbrettartige und allzu vorhersehbare Ergebnisse werden so vermieden.
Dresen schätzt seine Mitarbeiter, er greift immer wieder auf einen festen Stab zurück, verliert aber die Gefahr des „sich Einkuschelns“ nicht aus den Augen. Neue Impulse sind ihm wichtig.
Nach der Wahl seiner Themen befragt, antwortet er mit einem Zitat aus dem Buch: „Ich bin der für die Sozialdramen“. Erklärend fügt er hinzu, dass er Allerweltsgeschichten erzählen möchte, die eine gesellschaftskritische Sicht auf die Dinge ermöglichen, ohne zu moralisieren. Jede seiner Produktionen soll für den Zuschauer eine Einladung zum Abenteuer sein, seine Figuren sollen ambivalent bleiben und sich möglichst auf einer Schwelle zwischen Tragik und Komik bewegen.
Das war auch die Intention für seinen neuen Film „Whisky mit Wodka“, der im Anschluss an das Gespräch gezeigt wurde. Es ist nicht nur ein Film im Film, basierend übrigens auf einer wahren Begebenheit aus den fünfziger Jahren, es wird auch die Geschichte eines Schauspielers erzählt, der seine Rolle im realen Leben begreifen möchte und daran scheitert. Dabei produziert er unfreiwillig oft Momente, in denen man lacht und gleichzeitig eine starke Beklemmung empfindet.
Andrea Schneider
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