Kultur: Der Geist der Wüste
„Lepcis Magna“: Die Holländerin Gerti Bierenbroodspot zeigt im KunstHaus sinnliche Torsi und Bilder
Stand:
Sie ist mutig. Allein von Berberaugen bewacht, schlägt die holländische Künstlerin Gerti Bierenbroodspot in der Wüste ihr Zelt auf, in der Nähe von Ausgrabungsorten, wo sie sich auf die Suche nach der Magie der alten Zeit begibt. Gaddafi höchstpersönlich habe ihr versichert, dass Lepcis Magna, eine von den Phöniziern im 10. Jahrhundert vor Christus erbaute Siedlung und eine der best erhaltenen römischen Städte, die heute in Libyen liegt, von seinen Archäologen umfassend ausgegraben würde. Beim Versprechen blieb es indes, sagte die Frau mit den herumfliegenden blonden Haaren und dem Eigenwillen ausdrückenden Gesicht bei der Eröffnung ihrer Ausstellung im KunstHaus am Sonntagnachmittag. Deshalb arbeite sie dort meist ganz allein. Nein, ungefährlich sei es nicht, aber jemand, der so bestimmt nach dem Geist der Antike forscht wie sie, würde sich wohl auch nicht durch Säbelrasseln einschüchtern lassen.
Auf dreierlei Art begegnet sie dem alten Gemäuer: Sie setzt ihre Eindrücke als großformatiges Öl- und Aquarellgemälde in Szene. Oder sie schmiegt sie als Skulptur in italienischen Alabaster. Die dritte Variante: Sie nimmt in einem intimen Frottage-Vorgang das Geheimnis der alten Zeit auf chinesisches Reispapier auf. Diese Frottage-Arbeiten saugen die Struktur der alten Steine auf und lassen tatsächlich eine Art Aura des Sakralen empfinden. Ganz legal sei das nicht, denn wenn sie mit Tinte auch vorsichtig die Strukturen auf das Papier bringt, kann es schon mal passieren, dass das Ursprungsgebilde Farbe aufnimmt. So kommunizieren die vergangene und die heutige Welt miteinander.
Bierenbroodspot ist überzeugt, den Geheimnissen der damaligen Baukunst auf die Spur zu kommen. So frottiert sie die Bruchstellen der auseinander gefallenen Säulen und konserviert dabei den Code damaliger Baumeister. Am wenigsten überraschen die Alabasterfiguren. Das sind ordentlich geformte Torsi, die gleichmütig die Bürde der Geschichte tragen.
Ihre großformatigen Gemälde dagegen wirken auf den ersten Blick irritierend, verstörend gar. Grimmig blicken realistisch gehaltene Medusenköpfe aus Ruinenresten, deren Struktur, im Gegensatz dazu, zu zerlaufen scheint. Es ist ein Spiel mit der möglichen Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen. Modern antikisierend wirkt ihre „Theaterwand von Lepcis Magna“, die den Moment der Zerstörung durch ein Erdbeben (310 v. Chr.) festhält. Bierenbroodspot gelingt es, herunterfallende Elemente so in Farbe zu bringen, dass das Leben diesem Theater noch nicht ausgegangen scheint.
Wie die Archäologin Judith Weingarten in ihrer begeisterten Einführungsrede darlegte, erstrahlen diese zerfallenden Teile durch den mal grün schillernden, mal meeresblau und mal in Bronze glänzenden Farbauftrag, als schimmere das Licht der Jahrhunderte durch dieses Gemälde. Weingarten hörte sogar die Farbe „singen“. Auch wer seine Sinne nicht angesprochen fühlt, sollte die sich an keine aktuelle Modeströmung anbiedernde Malerei ansehen. Sie transportiert eine Ahnung dessen, wonach wir in dieser vom derzeitigen Weihnachtsgebell erschütterten Welt vergeblich suchen: Ruhe und Gelassenheit. Bierenbroodspot überhöht extrem, was man nach anfänglichem Zögern aber durchaus akzeptieren kann. Vergnügt blieb auch Galeristin Helga Hofmann aus Alphen inmitten der familiär wirkenden Vernissagegesellschaft, als sie erfuhr, dass die uneindeutige Einladungskarte (siehe Abbildung) viele Bierenbrood-Fans vor ihre Galerie in Holland statt nach Potsdam gerufen hatte.
bis 16. Januar, Mi bis Fr, 15 bis 18 Uhr, Sa und So von 12 bis 17 Uhr.
Lore Bardens
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: