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Kultur: Der gute Ton

Prinz Asfa-Wossen Asserate las in Potsdam

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Beim Thema G8 wurde der Prinz laut. Ein Schüler hatte gefragt, was er denn als Einzelner tun könne. Immer wieder schreien, bis die Politiker endlich hören, sagte Prinz Asfa-Wossen Asserate. All das Reden und Verhandeln hinterm hohen Zaun in Heiligendamm sei sinnlos, so lange nicht die Diktatoren in Afrika von ihren Thronen gestoßen werden. Der Applaus in der Aula des Humboldt-Gymnasiums gab sich erst zögerlich, doch dann kraftvoll. Von diesem ernsten, herzlichen 58-jährigen Mann im Anzug hatte wohl keiner der Schüler eine solche Antwort erwartet.

Um sein 2003 erschienenes Buch „Manieren“ vorzustellen, war Prinz Asfa-Wossen Asserate auf Einladung des Brandenburgischen Literaturbüros gestern nach Potsdam an das Humboldt-Gymnasium gekommen. Asfa-Wossen Asserate, Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers Haile Selassie, lebt seit 39 Jahren in Deutschland und ist in Frankfurt a. M. als Wirtschaftsberater tätig. Sein Buch „Manieren“, das schnell zu einem Bestseller wurde und mittlerweile in der 17. Auflage erscheint, will er nicht als Anleitung für richtiges Benehmen, als einen neuen Knigge verstehen, obwohl der Titel fast schon reflexartig diesen Vergleich provoziert. Als eine Kulturgeschichte des sich wandelnden Verständnisses von Manieren in der europäischen Geschichte habe er das Buch auf Anregungen des Schriftstellers und Verlegers Hans Magnus Enzensberger geschrieben. Asfa-Wossen Asserate erzählt mit dem Blick des gebürtigen Äthiopiers auf das Land seines Exils, in das er als Student kam und blieb, weil die Revolution 1974 in seiner Heimat seinen Vater und Großvater tötete und seine Mutter mit den Geschwistern für 15 Jahre ins Gefängnis brachte. Als Anregung zum ständigen Hinterfragen des eigenen Verhaltens anderen gegenüber will der Prinz die „Manieren“ verstanden wissen. Wie er zu diesem inneren Dialog anzuregen versucht, ist meisterlich.

Die Kapitel „Mein Weg nach Deutschland“ und „Umgang mit Feinden“ las Asfa-Wossen Asserate vor den etwa 400 Schülern. Im Plauderton, unaufdringlich und freundlich, verbindet er hier eigene Erfahrungen mit weltpolitischen Ereignissen und dem täglichen Miteinander. In klassischer Manier stellt er Argument und Gegenargument zusammen, um dann zu einem Schluss zu kommen. Fast schon beiläufig lässt er dabei Episoden aus der Zeit Goethes einfließen, zieht Vergleiche zu den spartanischen Kriegern bei den Thermopylen oder gibt einen kurzen Exkurs in Sachen Kunstgeschichte. Prinz Asfa-Wossen Asserate ist ein über die Maßen gebildeter Mensch. Doch so wie er das vermittelt, entsteht in keinem einzigen Moment beim Leser oder Zuhörer das Gefühl, dass es peinlich sei, wenn man von den Dichtern, Kriegern oder Malern zum ersten Mal etwas hört. Dass Asfa-Wossen Asserate sein Buch, wenn auch nur für Lesungen, weiter schreibt, zeigte ein Manuskript über die Misere der Bildungspolitik. Vieles, was er an unbequemen Wahrheiten anführt, ist nicht neu, so seine Forderung nach mehr Disziplin, Mut zur Erziehung, Vermittlung von Werten. Aber so wie er dies anspricht, verwundert es, dass Asfa-Wossen Asserate noch nicht in der aktuellen Debatte gehört wurde. D.B.

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