Kultur: Der Haudrauf und das Biest
Friend“n“Fellow zum „Weihnachtsjazz“: knisterndes Zwiegespräch von Sängerin und Gitarrist
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Schneefall am ersten Weihnachtsfeiertag, ausgerechnet in unseren Breiten. Das war so selten in den vergangenen Jahren, dass bei Flocken vor dem Fenster Zweifel angebracht sind. Und so schaut Constanze Friend am Sonntagabend etwas ungläubig durch die Fenster im Foyer des Nikolaisaals. Echter Schnee oder Kunstflocken, fragt sie. Sitzt da draußen jemand aus der Belegschaft und mimt den Wintermacher? Ganz so abwegig ist die Frage nicht, schließlich steht das Konzert unter dem Motto „Weihnachtsjazz“. Aber mal ganz ehrlich: Wen interessiert Schneefall vor dem Fenster wenn drinnen Friend“n“Fellow spielen?
Im Foyer - das an diesem Abend in Sachen Besucherzahl an seine räumlichen Grenzen trifft - wohl niemanden. Da vorn, auf der kleinen Bühne, spielt die Musik! So einfach und überzeugend wurde diese Floskel schon lange nicht mehr präsentiert.
Anfang der 90er kamen Sängerin Constanze Friend und Gitarrist Thomas Fellow zusammen. Und wie so oft war es die kleine Küche, in der sie ihre ersten Lieder spielten. Coverversionen, das stand von Anfang an fest. Coverversionen im Breitbandformat von Jazz, Blues, Soul, Rock und Pop. Das erste Album „Fairy Godmother“ erschien 1995 im Eigenverlag. War hier und auf dem zwei Jahre später folgenden Album „Home“ noch deutlich die Nähe zum amerikanischen Duo Tuck & Patti spürbar, haben Friend“n“Fellow in den vergangenen Jahren immer stärker ihre ganz eigene musikalische Sprache entwickelt. Dass sie dafür nicht zwingend eigene Lieder schreiben müssen, zeigt ihr aktuelles Album „Covered“, auf dem sie mal wieder zwölf Fremdstücke zu ihren eigenen gemacht haben.
Ein Friend“n“Fellow-Konzert ist Schwerstarbeit - für Musiker und Publikum. Zu sagen, dass Thomas Fellow Gitarre spielt, ist mehr als untertrieben. Fellow ist ein Haudrauf, der seine Konzertgitarre bearbeitet, als wäre nur ein heraus geprügelter Ton ein wirklich guter. Das knallt und scheppert, springt förmlich aus den Boxen, um dann in Töne umzuschlagen, die so leicht daherkommen, als würden sie auf Zehenspitzen schleichen. Fellow ist ein Könner auf den sechs Saiten, akrobatisch und flink. Doch was diesen Kerl so außergewöhnlich macht, ist sein Gespür für Rhythmus.
Wie ein Getriebener zwirbelt er den Beat, jagt den Takt, dass dem Zuhörer fast das Herz rast. Constanze Friend lässt ihn ackern. Sie legt ihre Stimme in sein Spiel, lässt sich führen oder gibt den Ton an. Wenn Constanze Friend singt, dann weiß man, was Stimme alles kann. Mal bedrohlich tief, dann schmeichelnd sanft, kraftstrotzend und auch mal richtig Biest. Man sitzt auf seinem Stuhl und weiß gar nicht, auf wen man in diesem knisternden Zwiegespräch zuerst achten soll. Friend“n“Fellow verlangen Aufmerksamkeit, denn musikalische Überraschungen kommen manches Mal im Sekundentakt. Doch gefällig geben sich die beiden nie.
Hendrix“ „Purple haze“, klingt schleppend, fast schon klaustrophobisch. Der Doors-Klassiker „Light my fire“ wie auf Sparflamme. Luther Allisons „Bad love“ wutschnaubend, „Still haven“t found what I''m looking for“ von U2 wirklich an die Nieren gehend. Nicht jede Version will gefallen oder akzeptiert werden. Aber das Risiko gehen Friend“n“Fellow ein. Und diese Risikobereitschaft wird nach gut anderthalb Stunden mit kräftigem Jubel honoriert. Als Zugabe kündigt Thomas Fellow ein „besonderes Lied“ für die „besondere Stadt“ Potsdam an. Es folgt „Highway to hell“ von AC/DC. Und unwillkürlich fragt sich mancher, ob da auf der Bühne Propheten stehen, die spaßbadliche und stadtschlosslastige Zukunft der Stadt im Blick?
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