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Kultur: Der Himmel war’s

Der Aufstieg der Hohenzollern astrologisch erklärt

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Zur Zeit kommt es für Preußens Havel-Residenz dicke: Während sich am historischen Ort vier als Kräne getarnte Riesen am Neubau eines Schlosses mühen und Harald Bodenschatz und Erich Konter mit ihrem gerade erschienenen Buch „Städtebau und Herrschaft“ erklären, wer und was da Potsdam geschaffen haben mag, spukt in den jungen Rebellen um die Initiative „Metropolar“ bereits die nächste Epoche im Zeichen der Moderne. Ob das noch Zufall ist, wenn just in diesen Tagen das konservierende Denken so direkt auf das vorausschauende prallt? Nun gesellt sich mit „1701. Sonne, Stern und Krone“ Olaf Thiedes dritter Beitrag zur Stadtgeschichte hinzu. Er will die städtische Vedute aber weder nach vorne noch retour befördern, sondern lediglich die Grundlegung der Barockstadt Potsdams aus dem Geist der Vergangenheit aufzeigen.

Der Autor Olaf Thiede beschäftigt sich schon lange mit den kulturhistorischen und theologischen Grundlagen von Stadt- und Residenzgründungen. In „Gesamtkunstwerk Potsdam. Sichtachsen-Geometrie-Rhythmus“ hat er 2009 ja bereits einige funktionale Geheimnisse der Stadt gelüftet. Sein neues Buch untersucht nun anhand der Selbstkrönung Kurfürst Friedrich III. zum König Friedrich I. in Preußen die verborgenen Hintergründe dieser ungeheuren Tat – und stößt dabei auf die Fundamente der Hohenzollern. Thiede geht von der antiken Numerologie aus, wonach alles auf Zahlen und deren Proporz beruhe. Zahlen schaffen auch eine Geometrie, wie Platon und Pythagoras sie verstanden. Diese Geometrie ihrerseits ließ Städte wie Rom entstehen. Auch Potsdam. Zusammen mit seinem Co-Autor Markus Wilhelmy hat Thiede gut ein Drittel der Druckseiten für die Mathematik und Sprache, Zahlensymbolik und Himmelskunde, Wissenschaft und Alchemie reserviert. Aus dem theologisch-spirituellen Selbstverständnis des Barock heraus zeigt Olaf Thiede nun, dass ein himmlisch begründeter Machtanspruch auf eine preußische Königskrone schon vor Kurfürst Friedrich III. bestand, beispielsweise in gewissen Prophezeiungen. Für den Barock war alles „theatrum mundi“, da wurde kein wichtiger Staatsbeschluss ohne Horoskop bedacht. Das Hohenzollernsche sagte nun voraus, dass der zwölfte Kurfürst Brandenburgs seit Friedrich I. (1415-1440) ein König werden müsse. Nach dieser himmlischen Order blieb Friedrich III. tatsächlich nichts übrig, als bei Wind und Wetter nach Königsberg zu eilen, um am 18. Januar 1701, einem „Marstag“ (Dienstag), die aufgehende Sonne zu begrüßen. Symbolisch hieß das: sich selbst als König. Von der Zahl der Trompeter bis zu Salbung und Segen war jeder Schritt dieser Zeremonie „in Abstimmung mit dem Himmel“ bis ins Detail genauestens ritualisiert und numerologisch begründet. Genauso der triumphale Einzug in Berlin erst sechs Monate später zur Sommersonnenwende. Die Geschichtsbücher schreiben „Selbstkrönung“, und nennen das billigerweise Hohenzollern-Politik. Dabei war dieses Preußen ein echtes „Produkt des Himmels“.

Thiede selbst kommentiert das so: Man müsse nicht daran glauben, wohl aber akzeptieren, dass es damals so war. Wer wie Olaf Thiede auch mal anders denkt, kommt eben zu anderen Ergebnissen, auch in der personellen Einschätzung des ersten Königs in Preußen. Respekt! „Das kann dem kommenden Meinungsstreit doch nur gut tun“, murmeln da die riesigen Kräne. Gerold Paul

Olaf Thiede, Markus Wilhelmy: „1701. Sonne, Stern und Krone. Krönungsritual und Stadtplanung Potsdam“, 24 Euro

Gerold Paul

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