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Kultur: Der König und der Gott

Klaus Büstrin liest in Ausstellung zur Garnisonkirche Kleppers „Der Vater“

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Jochen Klepper hat von 1933 bis 1937 einen Roman geschrieben, den er „Der Vater“ nannte. Wie häufig in historisch sehr belasteten Zeiten – zumal für einen Journalisten, der mit einer Jüdin verheiratet war und deshalb aus der Reichsschriftkammer ausgeschlossen wurde und auch nur noch wenig journalistische Aufträge bekam – sucht der Schriftsteller den Weg in die Vergangenheit. Anhand von scheinbar fern Liegendem kann er en passant die Aktualität meinen. Dabei ging es ihm, dem gläubigen Christen, neben der Aufarbeitung seiner eigenen Vaterkonflikte, auch um das Verhältnis des Soldatenkönigs zum Glauben. Friedrich Wilhelm I. ist es nämlich, der als „Vater“ bezeichnet wird und der ja auch als harter Richter seines Sohnes gilt. Er ist das Urbild all der strengen deutschen Väter, von denen nicht nur die Söhne ein traurig Lied singen können.

Offensichtlich hatte Jochen Klepper ein ähnlich schwieriges Verhältnis wie Friedrich der Große zu seinem Vater, und ein ähnlich liebevolles zu seiner Mutter. Der endgültige Bruch Kleppers zu seiner Familie kam durch die Hochzeit, mit der der Vater, ein evangelischer Pfarrer, nicht einverstanden war. Wahrscheinlich hatte aber auch dieser Mann positive Seiten, wie selbst Friedrich Wilhelm I. in der Darstellung Kleppers. Immerhin war er der König, der Potsdam die Garnisonkirche schenkte. Mehrmals, nachdem sie im schlammigen Morast zusammengesunken war, ließ er sie wieder aufbauen, bis es ihm zu bunt wurde und er kurzerhand den Sumpf trockenlegen ließ.

So ist es ein gut gewählter Ort, die dreiteilige Lesung von Klaus Büstrin aus „Der Vater“ in der Ausstellung zum Wiederaufbau der Garnisonkirche in der Breiten Straße stattfinden zu lassen. Neben schweren Kapitellen, die scheinbar funktionslos auf neues Leben warten und der Fotodokumentation zur Garnisonkirche, saßen am Mittwochabend trotz Hitze fast dreißig Leute und lauschten dem Vorleser Büstrin und Karin Giersch, die auf der Gambe fremdartig anmutende Klänge zauberte.

Klaus Büstrin leitete die Lesung mit einem Zitat Jochen Kleppers ein, dem es bei diesem Roman um „den König und den Gott, den Vater unter der Not seines Gewissens und den Menschen unter der Last seiner Schuld“ gegangen sei – und dass er damit auch die vielen ungnädigen Väter deutscher Nation meinte, scheint offensichtlich. Härte, unnachgiebige Härte, war es, was das Verhältnis des Königs zum Kronprinzen charakterisierte, und wenn sich heutzutage jemand darüber wundert, weshalb Friedrich der Große trotz der amusischen, sinnenfernen, strengen Erziehung, die sein Vater ihm aufzwang, künstlerisch und geistig veranlagt war, der lese Jochen Klepper. Was der Vater an Strenge und Disziplin, das war nämlich die Mutter an Zärtlichkeit und Weichheit. Was der Vater an klarem Verstand, das war die Mutter an utopisch-schwärmerischer Hoffnung. Wie Jochen Klepper diese beiden extrem unterschiedlichen Universen, die dieses Elternpaar repräsentiert, schildert, ist ein Blättern oder besser noch ein Lauschen wert. Als der Vater seinem Sohn eine Predigt darüber hält, was dieser von ihm übernehmen solle („Halte immer eine große Armee“), tätschelt er den Kronprinzen zunächst leicht auf die Wange, um seiner Bewegung durch mehr Kraft entsprechend Nachdruck zu verleihen, bis er sich zu einer Reihe von Ohrfeigen steigert. Der Sohn erstarrt. Und bleibt doch ungehorsam, liest nachts bei Kerzenschein, versteckt im Kamin die Literatur, die vom Vater verboten wurde.

Auch Jochen Klepper blieb standhaft und ging 1942 mit seiner Frau lieber in den Tod, als sie in ein KZ verbringen zu lassen. So sind die Parallelen zwischen den beiden Gestalten unverkennbar und doch verliefen diese Leben ganz unterschiedlich. Deutlich und klar steht einem das vor Augen, wenn man Büstrins Stimme zuhört, die am nächsten Mittwoch sicher die schlimmste Situation im Leben von Vater und Sohn schildern wird: den Fluchtversuch.Lore Bardens

Lore Bardens

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