Kultur: „Der Kontrabass singt wie ein Cello“
Bassiona Amorosa spielen am Donnerstag in Potsdam: Ein Gespräch mit dem Gründer Klaus Trumpf
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Herr Trumpf, Virtuosität und Kontrabass, sind das nicht zwei Dinge, die sich ausschließen?
Für viele scheint das tatsächlich auf den ersten Blick nicht zusammenzupassen. Die meisten denken beim Kontrabass ja oft nur an Begleitung. Aber wer sich mal mit der Orchesterliteratur beschäftigt und sich beispielsweise Kontrabassstimmen bei Wagner oder Strauss anschaut, der wird kaum glauben, was da steht. Hinzu kommt, dass das Niveau der Kontrabassisten von heute enorm ist. Da ist so viel in den vergangenen 50 Jahren passiert.
Was gab den Ausschlag für diesen Niveauanstieg?
Der kam durch internationale Wettbewerbe. Der erste fand 1966 in Genf statt. Ich war mit dabei und das war, als würde sich eine Tür öffnen. Man konnte endlich sehen, auf welchem Niveau die Musiker international standen, und man lernte neue Werke kennen. Solche Wettbewerbe motivieren ungemein, weil sie einen anspornen, immer besser zu werden. Ein Resultat sind die vielen hervorragenden Solokontrabassisten, die international touren. Die spielen heute unter anderem das Cellokonzert von Haydn oder die Rokoko-Variationen von Tschaikowski auf ihrem Instrument.
Gab es damals schon die Idee, irgendwann ein Kontrabass-Ensemble wie Bassiona Amorosa zu gründen, das am Donnerstag in Potsdam auftritt?
Nein, das war erst viel später. Aber ich habe das große Glück, mit Bassiona Amorosa solche Virtuosen in einem Ensemble zu haben. Zum Beispiel Roman Patkoló, um nur einen Namen zu nennen. Ein Jahrhunderttalent. Ich habe ihn acht Jahre in München an der Universität unterrichtet. Zuerst als Jungstudent, dann während seines regulären Studiums und dann in der Meisterklasse. Ich habe von dem nie einen falschen Ton gehört. Er wurde dann schon bald von der Geigerin Anna-Sophie Mutter gefördert. Jetzt reist er mit ihr durch die Konzertsäle dieser Welt. Er ist Solobassist an der Züricher Oper und hat nebenbei eine Professur in Basel. Die hat er schon im Alter von 24 Jahren bekommen. Roman Patkoló spielt auf dem Kontrabass die Zigeunerweisen von Sarasate so schnell wie andere auf der Violine. Da fragt selbst Anna-Sophie Mutter, wie das überhaupt möglich ist.
Wann wurde Ihnen bewusst, dass das Niveau der Kontrabassisten mittlerweile so gut ist, dass es Zeit für Bassiona Amorosa wird?
Gar nicht, denn das Ensemble ist mehr aus einem Zufall heraus entstanden. Im Grunde genommen durch ein Spaßkonzert. Während meiner Lehrzeit in München wurde jedes Jahr zum Fasching ein entsprechendes Konzert von den Studenten veranstaltet. Irgendwann hieß es dann, nun macht auch mal was mit den Bässen. Damals hatte ich vier sehr gute Studentinnen. Für die habe ich dann ein Stück arrangiert und das schlug ein wie eine Bombe. Am gleichen Abend wurden wir noch zu einem Privatkonzert eingeladen, eine Woche später schon haben wir in Österreich auf einem Festival gespielt. Mittlerweile sind wir weltweit unterwegs und haben fast überall gespielt. Darum steht das Potsdamer Konzert auch unter dem Motto „Von der Carnegie-Hall New York in die Erlöserkirche Potsdam“. Und heute, die Jungs, begeistern immer aufs Neue. Ein englischer Kritiker hat geschrieben: „Man muss Bassiona Amorosa hören, um es zu glauben.“ Das glaubt ja keiner, dass die Paganinis Moses-Fantasie auf vier Kontrabässen spielen.
Bassiona Amorosa besteht mittlerweile seit 17 Jahren, hatte in dieser Zeit 25 Mitglieder und mehrere CDs veröffentlicht. Was auffällt, es war nie ein deutscher Kontrabassist dabei. Warum?
Ich habe18 Jahre an der Hochschule in München unterrichtet und hatte in dieser Zeit fast keine deutschen Studenten. Der Nachwuchs kam aus Osteuropa und aus Asien. Und um bei Bassiona Amorosa mitzuspielen, das ja anfangs ein reines Studentenensemble war, hat es bei den deutschen Studenten nie gereicht.
Woran lag es?
Ich glaube, bei den deutschen Studenten herrscht eine Wir-schaffen-das-schon-Mentalität. Das liegt auch in der deutschen Kontrabassschule begründet. Die war mal die beste der Welt, hier wollte man studieren. Mittlerweile aber haben der Fleiß und der Ehrgeiz der asiatischen und osteuropäischen Studenten hier zu einer Verschiebung geführt.
Sind es vor allem Bearbeitungen anderer Instrumente und Werke von zeitgenössischen Komponisten, die heute zum Repertoire eines guten Kontrabassisten gehören?
Nein, es gab auch schon früher Komponisten, die für dieses Instrument geschrieben haben. Johann Matthias Sperger, Domenico Dragonetti und Giovanni Bottesini wären da beispielsweise zu nennen. Auf Johann Matthias Sperger bin ich 1966 nur durch einen Hinweis aufmerksam gemacht worden. Sperger, ein Zeitgenosse von Haydn und Mozart, war 25 Jahre lang erster Kontrabassist der Mecklenburgisch-Schweriner Hofkapelle in Ludwigslust. Ich bin also nach Schwerin gefahren und habe dort stapelweise Noten von ihm entdeckt. 45 Konzerte für fast alle Instrumente, darunter allein 18 für Kontrabass. Bis dato nie aufgeführt. Fantastische Musik, die mich bis heute nicht losgelassen hat. Sperger hat den Kontrabass über seinen Umfang von fünfeinhalb Oktaven virtuos ausgenutzt. Und was überhaupt möglich war, hat er für dieses Instrument komponiert.
Aber Sperger ist heute noch immer so gut wie unbekannt.
Ja, selbst unter Kontrabassisten. Um das zu ändern, habe ich vor 13 Jahren die Internationale Johann-Matthias-Sperger-Gesellschaft gegründet, die alle zwei Jahre einen internationalen Wettbewerb in Ludwigslust ausrichtet.
Wie hat sie bei Ihnen angefangen, die so große Leidenschaft für den Kontrabass?
Ganz unspektakulär. Mein Vater war Bassist. Da lag das nahe.
Aber was macht dieses Instrument so besonders für Sie?
Ich sage immer, auch wenn das anfangs keiner glaubt, der Kontrabass ist ein Melodieinstrument. Man kann genauso schön darauf singen wie auf einem Cello. Aber dafür muss man sehr gut sein. Und Geduld haben. Zuerst ist es nur ein brummiges und widerspenstiges Instrument. Aber wenn man die ersten fünf bis sechs Jahre gespielt hat, fängt der Kontrabass an zu singen.
Das Gespräch führte Dirk Becker
Bassiona Amorosa spielen am Donnerstag, 26. September, 19 Uhr, in der Erlöserkirche in der Nansenstraße. Eintritt kostet 20, ermäßigt 15 und für Schüler 10 Euro
Klaus Trumpf, geb. 1940 in Görlitz, war Solo-Kontrabassist der Berliner Staatsoper und Professor in München. Er gründete und leitet Bassiona Amorosa. Trumpf
lebt in Postdam.
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