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Keine schönen Tage. Sie sieht die Zukunft in „Blade Runner“ aus.

© Filmmuseum

Kultur: Der Look des Kultfilms „Blade Runner“ Filmklassiker vorgestellt: Parodie auf makellose

Science-Fiction-Szenarien / Von Alexa Eberle

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Nicht nur Babelsberger, auch Brandenburger Filmgeschichte wird im Filmmuseum Potsdam gehegt und gepflegt. Filmtechnik, Dokumente, Kostüme und Nachlässe werden gesammelt und dem Publikum präsentiert. Zur Aufführung kommen neben herausragenden aktuellen Produktionen auch filmgeschichtliche Kostbarkeiten. In unserer Serie „Filmklassiker vorgestellt“, die gemeinsam mit dem Museum entstand, stellt die Literaturwissenschaftlerin Alexa Eberle heute den Film „Blade Runner“ von Ridley Scott vor.

Die Erwartungen an „Blade Runner“ sind hoch, als der Film 1982 in den Kinos anläuft, er wird beworben als Zukunfts-Thriller mit spektakulären visuellen Effekten und Harrison Ford in der Titelrolle des Rick Deckard.

Die mächtige Tyrell-Corporation produziert im Los Angeles des Jahres 2019 Replikanten und setzt sie auf fernen Planeten für gefährliche, schwere Arbeiten ein. Als vier der menschengleichen Roboter auf die Erde fliehen, beginnt Deckards Jagd auf sie.

Alle rechneten mit einem heldenhaften Auftritt Fords à la Indiana Jones – aber wohl niemand damit: Deckard mimt einen zynischen Ex-Bullen, unsensibel wie ein kalter Fisch, und muss alle zwanzig Minuten Prügel von einem Replikanten einstecken.

Der Star wird zum Anti-Helden, makellose Science-Fiction-Szenarien wie in „Star Trek“ werden parodiert. Philip K. Dicks Roman „Do Androids Dream of Electric Sheep“ (1968) diente „Blade Runner“ als Vorlage. Buch wie Film erzählen von einer überbevölkerten Erde. Die meisten Tiere sind ausgestorben und fortwährend fällt Säure-Regen vom sonnenlosen Himmel in düster-dampfende, klaustrophobisch anmutende Hochhausschluchten. Zu den Bildern dieser trostlosen Atmosphäre erklingt Vangelis‘ Filmmusik mit seufzenden Synthesizern, durchsetzt von japanischer Biwa-Musik und klagenden Saxofon-Motiven. Die Stil-Melange in der Musik hallt im eklektizistischen Szenen-Dekor wider.

Der britische Regisseur spricht von einer „romantischen Verkommenheit“, die die Ästhetik seines Film definiert. Jene Schönheit, die „Schäbigkeit, mit dem Dreck, dem Asphalt“ feiert, generierte ein neues Science-Fiction-Genre, das des Cyberpunk. Filme wie die „Matrix“-Trilogie (1999-2003) verweisen auf ihren Ahn. Heute ist uns der beklemmende Look dieser Dark-Future-Visionen vertraut; die Zuschauer damals erlebten einen visuellen Schock und sahen sich lieber den Saison-Kassenschlager „E.T.“ an als den existenzialistischen „Blade Runner“, der vornehmlich in Blau- und Sepia-Tönen unter sparsamstem Einsatz von Licht fotografiert ist. Wenn Schatten Gesichter kontrastreich in Szene setzen oder Lichtstrahlen durch verrauchte Räume wabern, atmen Erstere den Geist des klassischen Film Noir.

Deckard ist eine Philipp-Marlowe-Figur; Rachael, die Replikantin, in die er sich verliebt, trägt wunderschöne Retro-Kostüme und ist frisiert, als wäre sie dem Set von „The Big Sleep“ (1946) entsprungen.

„Blade Runner“ besticht auch beim Oscar-nominierten Szenenbild durch Eklektizismus. Anleihen verschiedener Epochen und Kunstrichtungen sind zu einer Kollage verwoben. Am augenfälligsten wirken die asiatischen Einflüsse. Es scheint, als habe Scott mit dem von Neonreklamen grell erleuchteten nächtlichen Straßen-Set das Tokio von heute vorweggenommen. Auch Klassiker der amerikanischen Moderne werden zitiert: Deckards Wohnung ist ein 175 000-US-Dollar teures Set, gestaltet mit Abgüssen der Wände aus dem Ennis House von Frank Lloyd Wright. Und wenn der Blade Runner in einer Nudelbar sitzt, erkennen wir Edward Hoppers „Nighthawks“ wieder. Wand-Mosaiken sind Mustern mexikanischer Kunst entlehnt, es gibt Verweise auf Comic-Strips und wir staunen, wie sich die Grenzen von Pop- und Hochkultur spielend auflösen.

Dieser Film ist akribisch durchgestylt, jede Szene überbordend an Details. Der Regisseur: „Es ging darum, Schönheit zu koordinieren. Jede Einstellung musste toll sein.“ Das könnte ebenso von Fritz Lang stammen, dessen „Metropolis“ (1927) vieles von dem vorgibt, was „Blade Runner“ weiterträgt: die Eröffnungssequenz, die eine archaische pyramidale Architektur zeigt, oder den triumphal in Szene gesetzten Mega-Turm, den Deckard in seinem Fluggerät ansteuert.

Kaum mehr vorstellbar: Die „Altmeister“ arbeiteten allein mit altmodischen analogen Kameratricks – in beiden Filmen gibt es kein einziges computergeneriertes Bild!

Jetzt entwickelt eine neue Generation von Filmemachern das Erbe weiter, mit innovativen technischen Raffinessen versehen – die Geschichte wird mit Filmen wie „The Dark Knight“ von Christopher Nolan fortgeschrieben.

„Blade Runner“ ist zu sehen am Freitag, dem 31. Oktober, um 19 Uhr im Filmmuseum Potsdam, Breite Str. 1a/Marstall im Rahmen der langen Metropolis-Nacht. Diese beginnt um 17 Uhr mit „Die Reise nach Metropolis“ (R: Artem Demenok, D 2009), um 21 Uhr wird „Robotic Angel“ (R: Rintaro, J 2001) gezeigt.

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