Kultur: Der Lügenkünstler
Heinrich Breloer über Speer im Filmmuseum
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Heinrich Breloer über Speer im Filmmuseum Die Janusköpfigkeit Albert Speers bleibt weiter seltsam faszinierend. Nach Heinrich Breloers Dreiteiler „Speer und Er“, der Dokumentation „Nachspiel. Die Täuschung“, den zwei Büchern mit einer Biographie und Interviews mit den Kindern des Architekten und Rüstungsminister unter Hitler, den Debatten in den Feuilletons hat sich gezeigt, dass trotz neuester Erkenntnisse Speers wahres Gesicht noch immer undeutlich ist. Am Mittwoch war der Regisseur Heinrich Breloer ins Filmmuseum gekommen um mit dem Literaturkritiker Hellmuth Karasek über jenen Mann zu sprechen, mit dessen Lebenslügen er sich schon lange beschäftigt. Geblieben ist nach all den Jahren, an deren Anfang ein Gespräch mit einem liebenswürdigen Speer stand, bei Breloer ein ungläubiges Kopfschütteln. Immer weiter gräbt sich der 63-Jährige in das Lügengespinst vom verführten Künstler, der nichts von den Verbrechen seines Gönners Hitler wusste. Der Film ist längst abgedreht, doch die Spurensuche für Breloer noch lange nicht abgeschlossen. Denn je mehr er über Speer erfährt, umso rätselhafter wird ihm dieser Mann. Die Fakten sprechen eine deutliche Sprache, wie Breloer im fast ausverkauften Filmmuseum verdeutlichte. Blieb er im Film „Speer und Er“ noch zurückhaltend mit seinem Urteil, was dessen Verwicklungen in den Holocaust betraf, fand er hier klare Worte. Speer war nicht nur für die Vertreibung der Berliner Juden verantwortlich, damit Raum geschaffen werden konnte für das größenwahnsinnige Bauprojekt Germania. Speer wusste, was in Auschwitz geschah. Er kannte die Listen, die aufführten, was gebraucht wurde für den Umbau des Konzentrationslagers für die „Sonderbehandlungen“, wie kürzlich entdeckte Dokumente beweisen. Kopfschüttelnd blickte Breloer auf das Jahr 1945 zurück, als Speer begann, sein neues Leben vom verführten Künstler „zu trainieren“. Wie er sich reumütig in Nürnberg den Richtern stellte, Verantwortung, aber nie Schuld übernahm. Wie er aus dem Gefängnis in Spandau weiter seine Fäden spann, an seiner Version der Geschichte arbeitete und mit seinen Erinnerungen dann zu Weltruhm gelangte. Breloer hat verschiedene Weg in „Speer und Er“ gewählt, um einem breiten Publikum diesen rätselhaften Mann näher zu bringen. Oft genug hat er die Entscheidung beim Zuschauer gelassen, was vielleicht einer der Gründe ist, warum der Film ein Debatte lostrat, von der selbst Breloer überrascht und gleichzeitig erfreut ist. Breloer hat trotz seiner intensiven Beschäftigung mit Speer Distanz bewahrt. Nur einmal, bei seinem ersten Gespräch, war er diesem Lügenkünstler auf den Leim gegangen. Und so blieb Breloer skeptisch, als Karasek Speer den „Hauptinitiator der Endlösung“ nannte. Und genauso wenig ließ er sich auf die seltsame These des Literaturkritikers ein, Jürgen Möllemanns „Projekt 18“ im Wahlkampf 2002 wäre vielleicht eine versteckte Verherrlichung Hitlers gewesen, wenn die Zahl 18 der Stellung der Buchstaben A und H im Alphabet entspreche. Derartig Abstruses ist bei Speer nicht nötig, Abgründe bietet dieser Mann genug. Dirk Becker
Dirk Becker
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