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Kultur: Der Mann, der alles kann

Armin Mueller-Stahl kam mit einer Ausstellung nach Potsdam – ins Alte Rathaus

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Der Festsaal des Alten Rathauses platzte gestern Vormittag aus allen Nähten. Grund war die Präsenz von Armin Mueller-Stahl, der zur Eröffnung seiner zweiten Kunst-Ausstellung in Potsdam gekommen war.

Die Freude bei Oberbürgermeister Jann Jakobs und bei Jürgen Strauss, der sich als Kurator der „Lebenswelten“ genannten Exposition wieder zurückmeldet, war groß. Sie wurde von allen Anwesenden geteilt, hatten sie doch das Vergnügen, sich mit den Arbeiten des 1930 geborenen Schauspielers, Malers, Autoren und vor allem überzeugend souveränen Mannes auseinandersetzen zu dürfen. Der bedankte sich artig bei vielen und erzählte eine Schnurre, in der Eduard von Winterstein, ein berühmter Schauspieler, eine tragende Rolle spielt: Hatte der doch als älterer Herr ein bisschen das Gefühl für die Lautstärke verloren und sagte jedes Mal, wenn er sein Monokel abnahm, für alle deutlich hörbar: „Arsch, Arsch“. Nur Armin Mueller-Stahl traute sich, ihn darauf aufmerksam zu machen, dass das auch das Publikum hören könne. Gelassen antwortete von Winterstein: So wie ich „Arsch, Arsch“ sage, denken die Leute, das sind Verse von Schiller.

Das Publikum dankte Mueller-Stahl mit begeistertem Lachen, von dem man nicht weiß, ob es von der Mueller-Stahlschen Selbstironie entfacht wurde. Denn Zufall kann es nicht sein, wenn der Maler-Schauspieler das Publikum derart elegant auffordert, seine Werke auf einen etwaigen Nullgehalt hin zu überprüfen. Dabei braucht er nichts zu befürchten, seine Bilder bestehen die Probe. Falsche Bescheidenheit ist es auch nicht, die Mueller-Stahl auszeichnet. Da gibt es die Auseinandersetzung mit den ganz Großen seiner Zunft, so z.B. mit „Goya“, dem er mit wenigen, lockig daherkommenden Kreidestrichen einen lausbubenhaften Ausdruck verleiht (Laudator Klaus Honnef sagte, Mueller-Stahl zeige ihn als „Parvenu“), oder mit Leonardo da Vinci, der durch ein paar flüchtige Striche doch ganz so (und ganz anders) erscheint, wie wir ihn zu kennen glauben. Diese Gesichter-Reihe aus dem Jahr 2006, in Braun- und Grautönen auf Papier gebracht, zeugt von gelassener Auseinandersetzung mit Vorläufern, auch mit Schriftstellern, so wie Arthur Miller. Der schaut streng aus seiner intellektuell wirkenden Brille, der Blick ist verhangen – und doch fürchtet man sich vor seinem strengen Urteil.

Armin-Mueller Stahl, der in Tilsit geboren wurde und 1980 aus der DDR in die BRD übersiedelte, eroberte mit Filmen wie „Night on earth“, der zum Auftakt der Müller-Stahl-Feier in Potsdam am Samstagabend im Filmmuseum gezeigt wurde, dann auch die amerikanischen Herzen. Kalifornien war seine Wahlheimat, und der 11. September 2001 ging an seinen Bildern nicht spurlos vorüber: In „World Trade Center“ liegen schräg im Bildhintergrund die beiden Türme weiß mit schwarzen Fenstern, während das Chaos davor und daneben in rot-blauen Tönen wuselt.

Mit Feder gezeichnete Gestalten personifizieren das Drama, Hände und Gesichter, die wie bei einem Foto-Entwicklungsprozess gerade zu entstehen scheinen, sind halt- und hilflos. Daran schließt sich seine Serie „Das rote Haus“ an, in nachtblauer Umgebung scheint es zu brennen, es zieht die gesamte Energie auf sich. Das Blau der „Big Sur Coast“ (2006) hingegen wirkt weniger bedrohlich und eröffnet einen bewegten, flächig ausgemalten Küstenhorizont. Pointilliert fast ist dagegen eines seiner Venedig-Bilder von 2007, braune, ockerfarbige, gelbe Punkte und kleinere Flächen setzen erst im Kopf des Betrachters die Stadtansicht zusammen, fremdartig und bekannt zugleich. In der Mitte des großen Ausstellungsraumes sind die Brockhaus-Ausgaben zu sehen, die Mueller-Stahl in diesem Jahr illustriert hat. Hier inszeniert er seinen „Menschheitszirkus“, der aber auch auf vielen seiner klein- und etwas größer formatigen Arbeiten zu sehen ist. Die Ausstellung zeigt viele Facetten des Malers und Zeichners Armin Mueller-Stahl, so auch jüngste Arbeiten mit Tiermotiven, in denen Kraft, Aggression und Hierarchie (nicht nur im Tierreich) eine Hauptrolle spielen – die flächige Hintergrundgestaltung lässt die Konzentration auf die eine Geste zu. Und das ist wohl die Stärke des Mannes, der alles kann: Sich im Augenblick auf genau das konzentrieren, was er gerade tut. Ob es malen, schauspielern oder schreiben ist, ist weniger wichtig als die stimmige Geste, der richtige Ton, die Hingabe an die jeweilige Tätigkeit.

Bis 3. Februar, Di-So 10-18 Uhr, Altes Rathaus

Lore Bardens

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