zum Hauptinhalt

Kultur: Der Mann in der Gasse

Das Poetenpack zeigte „Der Feuermann“ oder Wer ist der Gesuchte? / Ein Einpersonenstück

Stand:

Das Poetenpack zeigte „Der Feuermann“ oder Wer ist der Gesuchte? / Ein Einpersonenstück Karl-Heinz Feurig, Löschmeister 2. Klasse und derzeit im Innendienst, ist ein armer Hund. Es behauptet von sich selbst, weder Temperament noch Leidenschaft zu haben, dazu fehlt ihm, 48, immer noch die Frau an seiner Seite. Außerhalb von Löscharbeit und Brandschutz kann er sich mit seinen Kollegen nicht gescheit unterhalten, weder über Shakespeare, noch über Turgenjew oder Goethe, den der Einzelgänger gar nicht schätzt. Herr Feurig ist nämlich der Mann in der Gasse, welcher bei keiner Theateraufführung fehlen darf – damit“s nicht plötzlich brennt – und folglich in Sachen Weltliteratur bestens geschult. Sein geheimnisvoll-skurriles Porträt zeichnete Autor Holger Böhme in der Komödie „Der Feuermann“, zugleich die jüngste Produktion der Gruppe „Poetenpack“. Anlässlich des 75. Geburtstages ihres Solo-Interpreten Achim Hübner im Oktober gab es eine Voraufführung, sonst wird dieses Stück (Regie Andreas Hueck) eher selten gespielt. Schade eigentlich, denn es hat auch in einer Fassung von Hübner subversive Kräfte. Am Sonntag wurde es auf dem Theaterschiff vorgestellt, wobei der eine oder andere Platz noch frei blieb. Vorn eine Bücherreihe, dahinter ein Schreibtisch mit zwei Stühlen, rechterhand ein Aktenschrank und eine Art Diktiergerät gaben dem Innendienstler Arbeitsraum und Bühne (Katharina de Vette), die reale Spielzeit wurde vom Telefon und aus dem Off markiert: Soeben sucht die ganze Truppe nach einem besonders perfiden Brandstifter und Kulturschänder. Feurig gehört an prominenter Stelle zu der entsprechenden Untersuchungskommission. Sonst hat er keine schwere Arbeit zu erledigen, mal einen Anruf entgegennehmen, ein bisschen Aktenkram, da ist Zeit genug, gelegentlich ein Likörchen zu schlürfen, dem Publikum eine Praline herüberzureichen, und überhaupt en face mit ihm zu plaudern. Worüber? Seinen Kopf beherrschen drei Themen, Feuerwehr, Frauen und Weltliteratur (FFW), wobei die Sachen merkwürdig zusammenpassen. Wie viele Annoncen der leidende Junggeselle auch schaltete, keine der Aspirantinnen wollte Ophelia oder Julia gleichen. Zum Verzweifeln. Dabei erscheint ihm die Liebe doch „wie ein Feuer, gegen das kein Löschmittel etwas auszurichten vermag“. Achim Hübner,langgedienter Schauspieler und Regisseur, weiß, wie man einer sich so bieder gebenden Gestalt auf die Schliche kommt. Andreas Hueck hat das 90-minütige Spiel weniger auf Szene denn auf das Wort gesetzt, auf den lakonischen, hilferufenden, ironischen Ausdruck, wie ihn der Darsteller brillant beherrscht, auf das Verzögern einer Reaktion gut gesetzte Pausen. Das funktioniert nicht immer, etwa zur Hälfte der ruhig rinnenden Aufführung gibt es empfindliche Längen. Vielleicht ließ er das Wort etwas zu locker laufen, der kriminalistische Hauch fehlte. Hübner spielte alles Mögliche, kaum aber sein Geheimnis. Er legt die Feuerwehrkluft ab, zieht den guten Anzug an. Dann bricht es mit verbaler Kraft zu öffentlich aus ihm heraus. Er flucht Literatur und Theater, weil sie das Leben anders spiegelten, als es in Wirklichkeit sei, Julias und Ophelias Vollkommenheit hätten schuld, dass er keine Frau bekäme. Sprach“s ohne Scheu vor Feinden und ging zu tun, was er schon mehrfach tat: die Theater und Bibliotheken anzünden. Nun, dieses Finale hätte sich auch eleganter inszenieren lassen. Gerold Paul

Gerold Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })