Von Daniel Flügel: Der mit den Puppen spricht
Sascha Grammel mit Prof. Dr. Peter Hacke, Frederic Freiherr von Furchensumpf und Josi in der Waschhaus Arena
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Den Auftritt eines Bauchredners stellt man sich heutzutage eher noch als Highlight eines Polterabends oder einer Betriebsfeier vor. Sascha Grammel jedoch erweckt diese fast eingeschlafene Kunst nicht nur zu neuem Leben, er verleiht ihr mit seiner üppig aufgepeppten Spielart auch gleich neue Größe. Wie sonst will man sich die lautstarke Begeisterung erklären, welche ein junger Zeitgenosse am Freitagabend in der ausverkauften Waschhaus Arena durchweg provoziert, sobald er mit seinen Puppen spricht.
Es ist diese Kombination aus Bauchreden, Puppenspiel, Stand-up-Comedy und Zauberei, die den jungen Mann aus Spandau recht schnell beliebt und längst auch fernsehtauglich gemacht hat. Dabei besitzt Grammel doch mehr Format als viele der im medialen Unterhaltungsmüll hausenden Konservenkasper, zeigt sich seine enorme Publikumswirkung doch eher in der Unmittelbarkeit von Live-Auftritten. Schon bevor er mit seinen Puppen auf der Bühne steht und sein bekanntes Solo-Programm „Hetz mich nicht“ beginnt, tummelt sich Grammel lange lebhaft und fröhlich unter den mehr als 600 amüsierten Gästen, die sich gern Applausstufen wie Spielregeln erklären lassen und so von Anfang an in seinen Bann gezogen sind. Wie Stars aber werden die allerdings blickschönen Puppen mit frenetischem Beifall begrüßt. Prof. Dr. Peter Hacke etwa, ein Ernährungsexperte in Gestalt eines Doppel-Burgers, der die einleuchtende These vertritt „Nüsse sind gesünder, wenn man sie lutscht!“ und sich mit quäkender Stimme mit Grammel über Diäten unterhält. Von einer allein werde man oft nicht satt, weshalb man besser drei auf einmal durchführen solle. Mit etwas mehr Charme präsentiert sich Josi, eine aufrecht stehende Schildkrötendame mit hinreißend großen Augen, die als EC-Automat mit eingebauter Mini-Bar unterwegs ist und Grammel, sehr zur Ergötzung des Publikums, an den Rand des Wahnsinns treibt. Darin aber ist die dritte der Puppen, die schielende zerzauste Adler-Fasan-Mischung Frederic Freiherr von Furchensumpf ein wahrer Profi. Mit diesem hässlichen, permanent stänkernden Vogel liefert sich Grammel einen schier endlosen Schlagabtausch, der auch mit einer um den Schnabel geknoteten Würgeschlange nicht verebbt. Bemerkenswert ist auch dabei die Fingerfertigkeit des Puppenspielers, der sich die eindringlichen Mimiken erst verdanken. Auffallend aber sind jedes Mal Grammels augenscheinlich perfekte Technik des Bauchredens und sein Stimmenrepertoire, wodurch die vielen menschlichen Züge, die er seinen Figuren verliehen hat, stärker durchdringen und noch leichter die Illusion vermitteln, bei diesen drei Puppen handle es sich tatsächlich um lebendige Wesen. Gäbe es da nicht wieder diesen zankenden von Furchensumpf, der seinen Meister bittet, er möge ihm doch die Hand aus dem Hintern nehmen.
Ständig im Dialog mit dem Publikum, munter und ungestelzt witzig, erntet Sascha Grammel an diesem Abend über zwei Stunden mit seinen drei Puppen reichlich Lachsalven, brausenden Beifall und Jubel. Es ist erfreulich, dass er es sich da auch leisten kann, sein Programm zwischendrin immer wieder mit etwas vorhersehbaren Zötchen und Kalauern oder gar persiflierten Kartenspielertricks abzurunden, so ein nettes Stand-up-Beiwerk einzustreuen, woraus andere Spaßmacher seiner Zunft oft groß Spektakel machen und nur noch leidig zehren. Dieser Unterschied zeigt die Kunst und macht Grammel zum Erlebnis.
Daniel Flügel
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