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Kultur: Der musikalische Weg durch die Zeit

„Intersonanzen“: Der Potsdamer Komponist Albert Breier stellt morgen sein Klarinettenquintett vor

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Landschaft und Bewegung führen zu überraschenden Einfällen, sagt sich Albert Breier. Und begibt sich in die Natur. Spaziergänge auf asphaltierten und belebten Straßen sind seine Sache nicht. „Sie würden bei mir keine Kreativität auslösen“. Von Potsdam aus gibt es wunderbare Möglichkeiten, schnell in die Stille zu kommen und den landschaftlichen Schönheiten habhaft zu werden. Notenpapier und Schreibheft hat er immer im Gepäck. „Von diesen Wanderungen bringe ich Anregungen für meine Arbeit mit. Da notiere ich mir so manche Gedankensplitter, Musikalisches“, so Albert Breier, der seit gut sieben Jahren mit seiner Familie in Potsdam lebt..

Sein Quintett für Klarinette und Streichquartett, das morgen beim Brandenburgischen Fest der neuen Musik „intersonanzen“ vom modern art sextett uraufgeführt wird, entstand nicht im Brandenburgischen, sondern bereits 1993. Da lebte er in Köln, wo er an der Musikhochschule Komposition und Klavier studierte. Die Beschäftigung mit neuer Musik wurde in dieser alten Stadt groß geschrieben. „Während des Studiums war ich fast jeden Abend in einem Konzert, wo man Musik von Zeitgenossen vorstellte. Karlheinz Stockhausens, Mauricio Kagels oder Bernd Alois Zimmermanns Werke waren an der Tagesordnung. Wo gibt es dies heute.“, fragt Albert Breier. „Sicherlich, bei Festivals für neue Musik. Aber im Konzertalltag?“ Albert Breier kritisiert die Urteilslosigkeit von Veranstaltern gegenüber neuer Musik. Wenn man sie nicht aufführt, wird sie auch für den größten Teil des Publikums fremd bleiben.

Natürlich findet Breier es gut, dass es die „intersonanzen“ gibt. Aber sie sind nur ein Tropfen auf dem berühmten heißen Stein. Er selbst könne mit der Aufführung von eigenen Werken warten. Gedulden musste sich nämlich auch das morgen zu hörende Klarinettenquintett.

Albert Breier geht der klassischen Besetzung nicht aus dem Wege, bei der man in der Satzweise nicht mogeln kann. Eine bemühte Originalität in der Instrumentenauswahl strebt er nicht an. Die Klarinette mit ihren kantablen Möglichkeiten und dem großen Tonumfang gehört zu Breiers Lieblingsinstrumenten. Das Holzblasinstrument führt in seinem Quintett einen spannenden Dialog mit den Streichern, die hier keine Begleitfunktion haben. „Das Klarinettenquintett ist ein musikalischer Weg durch die Zeit und durch die Zeiten“, sagt der Komponist. Natürlich ist es für ihn interessant, wie sich die Musiker seinem Werkt nähern und die Zuhörer es aufnehmen.

Ein umfangreiches kompositorisches Werk kann der im Jahre 1961 in Paderborn Geborene vorweisen. Orchesterwerke, Kammermusik in den verschiedensten Besetzungen, Klavierstücke, Vocalwerke, besonders für a-cappella- Chor findet man im Werkverzeichnis. Leider findet Albert Breier bei heutigen deutschen Dichtern kaum Lyrik, die sich für eine Vertonung eignen. Und so hat er sich lateinischen Texten zugewandt, Psalmen oder der Requiem-Liturgie. Der Komponist ist mit den Messtexten aufgewachsen, denn schließlich hat ihn das katholische Paderborn geprägt. Die katholische Kirchenmusik mache ihn nicht sehr glücklich, sagt er Die Messvertonungen beispielsweise des niederländischen Komponisten Johannes Ockeghem, der im 15. Jahrhundert lebte, würden heutzutage in den Gottesdiensten so gut wie gar nicht aufgeführt, eher die von Mozart oder Schubert, die jedoch mehr Konzertcharakter haben. Für Breiers a-cappella-Musik sind die mit großer Klarheit und Kunstfertigkeit geschriebenen Motetten Ockeghems jedoch eine große Anregung.

Der Komponist, der auch Musikwissenschaften in Hamburg studierte, lässt sich immer wieder von den Zeitläufen der Kunst- und Musikgeschichte inspirieren. Anfang der neunziger Jahre begann er mit einem Studium der chinesischen Landschaftsmalerei. Er entdeckte in ihr, dass die Zeit eine große Rolle spielt. Sie komponiert die Zeit des Sehens. Bei den Rollbildern wird der Betrachter beispielsweise nicht mit dem gesamten Bild sofort konfrontiert, sondern schrittweise. Der Strom der Linien wird ins Unendliche geführt. Die abendländische Musik ist im Räumlichen und im Farblichen angesiedelt. „Für Komponisten ist es wunderbar, wenn er sich nicht auf das Architektonische fixiert, wenn die Musik nicht auf klischeehafte Erfüllung eines vorgegebenen Schemas verfällt.“ Albert Breier hat seine Gedanken in dem Buch „Die Zeit des Sehens und der Raum des Hörens“ 2002 vorgestellt.

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