
© Andrea Krempe
Von Dirk Becker: Der Neue stellt sich vor
Antonello Manacordo wird neuer Chefdirigent und künstlerischer Leiter der Kammerakademie
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Am Anfang stand eine Absage. Vor vier Jahren erhielt Antonello Manacorda, damals noch praktizierender Musiker, einen Anruf von der Kammerakademie Potsdam. Ob er nicht als Konzertmeister zusammen mit dem Potsdamer Kammerorchester auftreten möchte, so die Frage. Doch Manacorda lehnte ab. Nicht nur aus Zeitgründen, wie er am Montag sagte. Er war damals schon zu sehr auf seine neue Karriere als Dirigent konzentriert, als dass er als erster Geiger mit einem fremden Orchester hätte spielen wollen. Vielleicht später, dachte Manacorda nach dem Gespräch. Dann aber als Dirigent.
Aus diesem „vielleicht“ ist nun mehr geworden als nur ein Auftritt als Dirigent zusammen mit der Kammerakademie. Antonello Manacorda wird zur Saison 2010/2011 Chefdirigent und Künstlerischer Leiter der Kammerakademie Potsdam. Das gab Manacorda zusammen mit Frauke Roth, Geschäftsführerin der Kammerakademie, am gestrigen Montag in Potsdam bekannt. Manacorda folgt auf Michael Sanderling, der 2006 zum Chefdirigenten und künstlerischen Leiter der Kammerakademie Potsdam ernannt worden war. Am 15. Mai, im Rahmen des 9. Sinfoniekonzerts, wird Sanderling zum letzten Mal als künstlerischer Leiter und Chefdirigent die Kammerakademie Potsdam leiten. Sanderling gibt seine Chefposition nun auf, um noch mehr als bisher Angebote anderer Orchester annehmen zu können. Als Gastdirigent will er der Kammerakademie aber auch in der kommenden Spielzeit treu bleiben.
Für vorerst drei Jahre ist die Zusammenarbeit von Antonello Manacorda und der Kammerakademie geplant. In der kommenden Saison wird Manacorda drei Konzerte mit der Kammerakademie in Potsdam geben. Das erste davon Mitte Oktober. Mehr war in der Kürze und mit Rücksicht auf Manacordas Terminplan, der derzeit in Venedig am Teatro La Fenice Mozarts „Don Giovanni“ inszeniert, nicht möglich. Doch schon jetzt laufen zwischen der Geschäftsführung und dem Dirigenten Gespräche über eine weitere Planung. Und wer das herzliche und begeisterte Miteinander von Frauke Roth und Antonello Manacorda am Montag in der Ticket-Galerie des Nikolaisaals erleben konnte, merkte schnell, dass hier ein Dirigent und ein Orchester zusammengefunden haben, die auch zueinander passen. Dafür spricht auch die fast einstimmige Entscheidung der Musiker der Kammerakademie für Manacorda.
Nach seinem Premierenkonzert mit der Kammerakademie im März im Nikolaisaal war die Entscheidung sehr schnell gefallen. Nur eine Enthaltung gab es und die nur deshalb, weil der entsprechende Musiker bei dem Premierenkonzert nicht dabei sein konnte.
Erste konkrete Gespräche über die Zusammenarbeit von Manacorda und der Kammerakademie hatte es schon vor sechs Monaten gegeben. Im Oktober habe man sich dann zu einer gemeinsamen Probe getroffen. „Doch die Bühnenerfahrung ist die einzige Wahrheit für eine solche Entscheidung“, sagte Manacorda. Und nach dem Konzert war für beide Seiten alles klar.
„Ich verstehe mich nicht allein als Dirigent und künstlerischer Leiter“, sagte Manacorda. Er sehe sich als Teil, als Musiker des Kammerorchesters. Dieses Gefühl konnte er auch den Orchestermitgliedern schnell vermitteln, die sehr schnell spürten, dass er „einer von uns ist“, wie Ralph Günther vom Orchestervorstand erklärte.
Der 40-jährige Manacorda, der zusammen mit Claudia Abado 1997 das Mahler Chamber Orchester gegründet hatte und acht Jahre lang dessen Vizepräsident und Konzertmeister war, weiß aus eigener Spielerfahrung diese Besetzungsform zu schätzen. „Obwohl es Hierarchien gibt, hat hier jeder Musiker eine Stimme“, so Manacorda. Mit der Kammerakademie habe er ein Orchester gefunden, das von historischer Aufführungspraxis bis modern über eine enorme und seltene Bandbreite verfügt, um genau die Musik zu machen, wie er es immer schon wollte.
Für Manacorda liegt der Reiz für die kommenden drei Jahre, die erst einmal nur eine Basis schaffen sollen, in der Vielfalt der Möglichkeiten mit der Kammerakademie. So kann er sich vorstellen, einen Zyklus mit Schubertsinfonien mit der Kammerakademie zu erarbeiten. Die ersten Schritte dafür sind schon getan, werden bei zwei seiner drei Konzerte in der kommenden Saison Sinfonien von Schubert zu hören sein. Auch an Liveaufnahmen von Konzerten im Nikolaisaal für das Label Sony, für das die Kammerakademie schon mehrere Alben eingespielt hat, könne er sich sehr gut vorstellen.
So viel wurde bei der Vorstellung von Antonelle Manacorda am Montag klar: Ideen und Vorstellung bringt der künftige Dirigent und künstlerische Leiter genug mit nach Potsdam. Musiker und Geschäftsführung der Kammerakademie war die Begeisterung für das Kommende deutlich anzumerken. Beste Voraussetzungen für den Neuen und viel Neues.
Dirk Becker
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