Von Lore Bardens: Der Nikolaisaal als Kirche
Christoffel-Blindenmission feiert mit Clemens Bittinger, Sarah Kaiser und Gerhard Schöne
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Um sich und das hundertjährige Bestehen zu feiern, aber auch, um auf die Arbeit im christlichen Glauben hinzuweisen und durch Gesang zu verstärken, dazu hatte die Christoffel-Blindenmission (CBM) am Donnerstagabend den Nikolaisaal gemietet. Viele hundert Menschen kamen, der Saal war im Nu gefüllt, gespannt wartete das Publikum auf „die Nacht der Lieder“, die mit dem singenden Pfarrer Clemens Bittinger und seiner Band begann und erst geschlagene drei Stunden später mit einem Finale aller Künstler enden sollte.
Da wurde die von Clemens Bittinger geschriebene CBM-Hymne „Hunderttausend Wunder“ dargebracht. Aber bis dahin war es ein weiter und langer Gesangsweg, bei dem die muntere Sarah Kaiser eindeutig den Höhepunkt bildete. Mit ihrer hervorragenden, an schwarze Gospel-Sänger erinnernden Stimme, schmetterte sie wohl bekannte Kirchenlieder von Paul Gerhardt, als gälte es, die Grundfesten des Glaubens in eine schwarzamerikanische Tradition zu bringen. Das machte durchaus Spaß, auch wenn einmal eine Frau aufstand, um zu sagen, dass sie Deutsche sei und bitte deutsche Lieder hören möchte. Da nämlich hatte Sarah Kaiser ein selbst verfasstes Lied in englischer Sprache gesungen – auch das eine Hymne an den Herrn und Glauben. Aber sie sang sehr schön, modern und gut gelaunt.
Vor ihr war der Pfarrer Clemens Bittinger als Liedermacher in Aktion getreten und hatte in seine Lieder viele freundliche Aufforderungen verpackt, wie z.B. Mut zu haben, das zu tun, was man wirklich tun möchte. Und damit war schon die Richtung dieses langen Abends vorgegeben: Es handelte sich weniger um ein Konzert als um eine Art Kirchentag, bei dem auch gesungen wurde. Dazu gehört von einem protestantischen Pfarrer auch der Hinweis (per Lied), dass er nicht mit allem einverstanden ist, was Papst Benedikt postuliert. Da bei Protestant auch das Protestieren mitschwinge, frage er ihn in dem „Spaziergang mit Benedikt“, warum er andere Christen schmähe und das Kondom verbiete. Dass daraufhin eine Treibjagd gegen ihn erfolgte, sieht der mutige Mensch als Bestätigung, weiterhin diesen Weg zu gehen, denn: das Einzige, was zähle, sei, Jesus nachzufolgen. Das war alles auch ganz schön vertont. Nach Sarah Kaisers Auftritt gab es einen Werbefilm für die Blinden-Mission und damit ging eine Veränderung der Stimmung einher, die Gerhard Schöne, der als letzter der drei Sänger mit Band auftrat, nicht mehr in die wirklich positive Richtung verändern konnte. Er bemühte sich redlich, wünschte sich „an meinem Geburtstag / bitte keine Toten in Beirut / bitte keinen Unfall im Atomkraftwerk“ und, da er hauptsächlich für Kinder arbeitet, sang er unvermittelt einige seiner Engelslieder, die die Kleinen mit Mut und Zuversicht erfüllen sollen. Was aber für Kinder gelingen kann, das muss bei einem mit Erwachsenen prall gefüllten Nikolaisaal nicht unbedingt das richtige Rezept sein.
Als das Publikum bei zum Beispiel auf „Muh“ im Endreim mit „Kuh“ oder beim Nachtwächter mit „Ding Dong“ antworten sollte, blieb es weitgehend still im Saal. Einzig das auf die Melodie von Simon & Garfunkels „The Boxer“ getextete Lied über eine Liebe funktionierte da sehr gut. Gut Gemeintes ist halt nicht immer auch wirkliche Kunst.
Aber für den guten Zweck waren die Menschen ja gekommen, und diesem hat das Benefizkonzert sicher gedient. Hunderttausend Wunder möchte die CBM in diesem Jahr zusätzlich ermöglichen, sagte Martin Georgi, der Direktor der Mission, die schon seit einigen Tagen mit einem Informationswagen in der Dortustraße stand, um auf ihre guten Werke aufmerksam zu machen. Vor hundert Jahren von Pater Ernst Jakob Christoffel durch ein Heim für Blinde und andere Behinderte in der Türkei gegründet, setzt die Mission seither im Sinne des Paters ihre Hilfe fort. Das ist sicher eine gute Sache – wenn jeder zweite Blinde von den 37 Millionen weltweit heilbar ist und das mit 30 Euro erreicht werden kann, soll das getan werden.
Lore Bardens
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