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Kultur: Der offene Blick

Rüdiger Safranski stellte in der Villa Quandt sein Buch „Romantik“ vor

Stand:

Gemäkelt wurde von der ersten Rezension an. Nur an der Oberfläche kratze Rüdiger Safranski mit seinem neuesten Buch „Romantik. Eine deutsche Affäre“. Von alten Klischees wurde gesprochen, die er nur wieder aufkoche. Zu eng sei sein Blick, wenn er nur von einer deutschen Romantik schreibe. Gar als „Kompendienschreiber“ wurde der 62-jährige Autor tituliert.

Auf diesen scheinbar einseitigen Blick auf die Romantik sprach auch der Autor Alexander Gauland am Sonntag Rüdiger Safranski in der Villa Quandt an. Zur Matinee hatte das Brandenburgische Literatur in das neue Domizil am Pfingstberg geladen. Safranski und Gauland im Gespräch als Auftakt einer neuen Sachbuchreihe, wie Hendrik Röder vom Literaturbüro in seinen einleitenden Worten sagte. Und Safranski lächelte ein feines, kaum wahrnehmbares Lächeln, als er den bekannten Vorwurf auch von Gauland vernehmen musste. Das deutsche Feld des romantischen Protestes stelle sich für ihn besonders „beobachtungsreich“ dar, antwortete Safranski. Und selbstverständlich sei die Romantik nichts exklusiv Deutsches. Safranski sagte es zwar nicht, aber ein wenig schien in seiner Antwort die Verwunderung darüber mit zu schwingen, warum ihm vorgeworfen wird, nur weil er sich in seinem Buch auf die deutsche Romantik beschränke, würde er die übrigen europäischen Strömungen ignorieren. Vielleicht ist es gar nicht Safranski, sondern sind es seine Kritiker, die aus zu engem Blickfeld auf das Thema seines Buches schauen.

Safranski hat mit „Romantik. Eine deutsche Affäre“ ein Sachbuch geschrieben. Doch kein Sachbuch, das den Gelehrtenstand mit neuesten Forschungsergebnissen beglücken oder die Romantik bis in die fernste Verästelung ausleuchten will. Safranski erzählt mit leichtem Ton Geschichte und weckt so bei einer breiten Leserschaft Begeisterung für eine Auseinandersetzung mit dieser Epoche und ihrem sinnlichen Protest an den Tendenzen einer fragwürdigen Moderne. Und Safranski weckt die Lust, Novalis, Fichte, Tieck und all die anderen zu lesen. Dafür brauchte er nur knapp 30 Minuten aus einem Kapitel seines Buches vor den zahlreichen Gästen zu lesen.

Doch das ungetrübte Lesevergnügen bleibt einem nicht vergönnt. Wer sich mit der Romantik auseinandersetzt, muss sich auch mit der politischen Instrumentalisierung derselben beschäftigen. Das Politische sprach auch Gauland an. Doch wirkte es sehr befremdlich, dass er wiederholt die These vom deutschen Sonderweg bemühte, ohne darauf hinzuweisen, dass diese in der Forschung sehr kontrovers diskutiert wird. Ob Safranski die Annahme teilt, dass von Luther an die deutsche Geschichte geradezu zwangsläufig in der Katastrophe des Nationalsozialismus münden musste und dass die Verklärung in der Romantik daran einen nicht unerheblichen Anteil habe, ließ er nicht wissen. Safranski erklärte, dass nicht alles durch das „Nadelöhr der Politik“ gehe. Dass zwar in der Romantik nach dem Ich das „neu entdeckte Wir“ stand und damit, auch beeinflusst durch die Französische Revolution, ein neues Identifikationsgefühl und Nationalbewusstsein geweckt wurde. Doch sei die Romantik kein Gegenentwurf zum Bestehenden gewesen, sondern ein Hinweis darauf, dass den Menschen mehr auszeichnet als nur einzelne Aspekte wie beispielsweise die Politik. Da war ein Unbehagen am Rationalen und einer allzu starren Vernunft, die alles erklären will und nirgends mehr das kleinste Geheimnis belassen wollte. Wer die Romantik verstehen will, braucht eine offenen, unverstellten Blick. Rüdiger Safranski, im Gegensatz zu vielen seiner Kritiker, schaut sehr genau mit diesem offenen Blick. Dirk Becker

Dirk Becker

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