Kultur: Der Philosoph als Kirchenlehrer
Detlef Peitz sprach in der Arche“ über Thomas von Aquin und die moderne Kultur
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Mag sein, dass bleibt, wer schreibt. Aber wer dies tut, läuft auch Gefahr, kopiert, ausgelegt und schlimmstenfalls „weitergeführt“ zu werden. So geschah es auch dem „Kirchenvater“ Thomas von Aquin, den manche seiner Zeitgenossen „doctor angelicus“ oder gar „universalis“ nannten.
Dieser Dominikaner gräflicher Herkunft versuchte im 13. Jahrhundert, die „von allem Heidnischen gereinigte“ Lehre des Aristoteles mit dem theologischen Weltbild der damaligen Zeit in Übereinstimmung zu bringen. Als Haupt der Scholastik wurde er bereits 1322 heilig gesprochen. Sein philosophisches Denkgebäude (Thomismus) entdeckte zuerst das 16. Jahrhundert wieder. Nachdem er 1879 zum „ersten Lehrer der katholischen Kirche“ erhoben wurde, studierte die gelehrte Welt seine Werke erneut, etwa die „Summa theologica“ in 36 Bänden. Eine Nutzanwendung für die „moderne Kultur“ der Gegenwart im „weiterführenden Sinne“ versuchte nun der Theologe Detlef Peitz aus Berlin in der „arche“ zu geben. Gut besetzte Stühle trotz sommerlicher Hitze, die gewohnte Aufmerksamkeit, der übliche Respekt vor den gelehrten Thesen zu Staatstheorie, Wissenschaft und Anthropologie, wobei der Referent trotz glühender Verehrung für den Obersten aller Scholastiker ausgerechnet dessen Theologie wegließ. Auch er schrieb ein Buch über sein Vorbild.
Peitzens Biografie wäre eines eigenen Artikels wert: Vor mehr als 30 Jahren in Rheine bei Münster geboren, glaubte er „1989 die katholische Theologie studieren zu müssen“, was dann in Bonn und Rom auch geschah. Aber fundamentale Differenzen mit seinen jesuitischen Ausbildern, gerade über Thomas, verhinderten seine Priesterweihe, er wurde Gelehrter. Die Summa doctrina seines Vortrages wiederzugeben, ist hier unmöglich, man müsste den Aristoteles erklären, die Gegenreformation, Thomas späte Erhöhung zum ersten Kirchenlehrer, dazu das ganze Gewirr von Begriffen wie Distinktionen, Fragmentarisierung, Stockwerkdenken, Transzendenznot der Wissenschaft oder den Katalog kardinaler Tugenden. Statt sich nach dialektischer Art in Einzelproblemen zu verlieren, lehrte Thomas den Blick auf das Ganze, wobei er „der Theologie“ (seiner eigenen) den Primat vor allen übrigen Wissenschaften einräumte, die Philosophie aber zuließ, soweit sie zum Gottesgedanken heranführt.
Es ist schon merkwürdig, wenn sich gläubige Katholiken Gedanken hingeben können, wonach der (heutige) Staat „zum Gemeinwohl aller“ da sei, die von der Französischen Aufklärung geschaffenen „Menschenrechte“ mit den göttlichen übereinstimmten, Gerechtigkeit unten und oben identische Begriffe sein müßten und ausgerechnet das „Naturrecht“ zu verteidigen sei. „Kein Schritt, ohne auf unerschütterlichem Boden zu stehen oder Verzicht auf Erkenntnis zu leisten“, schrieb Thomas, Schüler von Albert Magnus.
Verzicht wäre hier tatsächlich eine prima Alternative gewesen, aber seinem ersten Kirchenlehrer widerspricht man ja nicht, wenn er auch nur ein waschechter Philosoph war. Vor solchem Geist hat schon Paulus gewarnt. Sage mir, wer dein Lehrer ist und ich sage dir, wer du bist! Georg Martinger
Nächster Arche-Vortrag heute, 19.30 Uhr, Am Bassin 2: Die Krise in der Kirche – Hoffnungen und Heilmittel
Georg Martinger
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