Von Dirk Becker: Der Pop im Jazz
Die Sängerin Jessica Gall fasziniert mit einer eigenwilligen Mischung
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Es wird wie bei einem Klassentreffen sein. Lehrerin und Schüler sehen sich wieder. Doch viel Zeit, um miteinander zu reden, werden sie nicht haben. Die Lehrerin wird auf der Bühne stehen, ihre ehemaligen Schüler im Publikum sitzen.
Es gab eine Zeit, da kam Jessica Gall regelmäßig nach Potsdam. In die freie Musikschule in der Charlottenstraße, um hier Chorgesang zu unterrichten. Am Freitag kommt Jessica Gall wieder nach Potsdam. Dieses Mal in das Foyer des Nikolaisaals und ganz in eigener Sache.
„Just like you“ heißt das Album, das die Sängerin Jessica Gall im vergangenen Jahr veröffentlicht hat und am Freitag in der Reihe „The Voice in Concert“ vorstellen will. Als „Die PopJazz-Entdeckung aus Berlin“ wird sie angekündigt. Und hört man ihr Debütalbum zum ersten Mal, ist man erstaunt, wie viel Pop im Jazz möglich ist.
Für Jessica Gall ist das Rezept für diese faszinierende Melange ganz einfach. „Die Arrangements sind purer Jazz, mein Gesang dagegen Pop.“ Später in dem Gespräch wird sie noch sagen, dass ihr die Texte der Lieder gefallen müssen, die sie singt. Sie müssen ihr passen, sozusagen zu etwas Eigenem werden. Und wenn es passt, dann wird mit Jessica Gall selbst ein Volkslied wie „Hänschen Klein“ zu einem Erlebnis.
Mit dem Saxofon hat der musikalische Weg von Jessica Gall begonnen. Im Fernseher hatte sie ein Mädchen gesehen, das ein Saxofon spielte. Das wollte sie auch. Da war sie 10 Jahre alt und lag ihren Eltern zwei Jahre lang mit ihrem Wunsch in den Ohren . „Da haben sie einsehen müssen, dass es mir ernst ist.“ Jessica Gall nahm Unterricht, spielte in verschiedenen Bigbands und kleineren Formationen. Als bei einem dieser Konzerte die Sängerin ausfiel, ging Jessica Gall ans Mikrofon.
„Ich hatte da schon Erfahrung als Background-Sängerin“, erzählt Jessica Gall. Sie merkte, dass es ihr auch gefiel, da vorn am Mikrofon zu stehen. Doch erst in einem Gesangsworkshop wurde ihr langsam bewusst, dass die Stimme ihr eigentliches Instrument ist. Es war der Jazzpianist Bene Aperdannier, damals ihr Dozent, der ihr den entscheidenden Impuls gab. Es brauchte noch etwas Zeit, doch die Musik nahm sie immer mehr gefangen und dann, kurz vor dem Abitur, brach sie die Schule ab, um ihren eigenen Weg zu gehen. Da war sie 18 Jahre alt. „Das Abitur habe ich bis heute nicht vermisst“, sagt sie und lacht. Warum auch? Sie hat Jazzgesang an der Hanns-Eisler-Hochschule für Musik in Berlin studiert. Zwei Studienplätze gab es damals. In der Aufnahmeprüfung waren nicht ihre Noten, sondern ihre Stimme gefragt.
Bene Aperdannier ist in all den Jahren vom Dozenten zu ihrem musikalischen Partner geworden. Mit ihm hat sie die musikalischen Ideen entwickelt und ihre Richtung gefunden, die ihren Ausdruck in einer erstaunlichen Behutsamkeit, einer fast schon persönlich zu nehmenden Zerbrechlichkeit hat. Da verwundert es nicht, dass sie auf „Just like you“ den wutschnaubenden Clash-Klassiker „Should I stay or should I go“ musikalisch fast zum Stillstand bringt und einen damit überrascht, wie neu und unverbraucht dieses Lied auf einmal wieder klingen kann.
„Ich mag einfach ruhigen Jazz“, sagt Jessica Gall. Und natürlich Pop. Wie einfach und überzeugend beides zusammenpasst, zeigt sie auf ganz besondere Art. Ihre ehemaligen Schüler wissen schon, warum sie sich rechtzeitig Karten für das Konzert ihrer Lehrerin geholt haben.
Jessica Gall ist am Freitag, 6. Februar, ab 20.30 Uhr im Nikolaisaal, Wilhelm-Staab-Str. 10/11, zu erleben. Der Eintritt kostet 15 Euro, Kartenreservierung unter Tel.: (0331)28 888 28
Dirk Becker
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