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Kultur: Der rappende Dirigent

„Hip Hop meets Classic“ vereint Breakdancer, Beats und klassische Musik

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Der Dirigent ist außer sich vor Wut! Soeben hat er sein kleines Ensemble den „Blumenwalzer“ von Tschaikowski anstimmen lassen, da platzt vom rechten Bühnerand das Schlagzeug mit einem drückenden Beat dazwischen. Und es kommt noch schlimmer: als eine zierliche Balletttänzerin anmutig zu Bachs „Air“ zu tanzen beginnt, stürmen zwei Breakdancer auf die Bühne, schalten ihren Ghettoblaster an und legen eine wilde Streetdance-Show aufs Parkett. Der Dirigent rauft sich die Haare, die Musiker rufen empört. Was ist da los im Foyer des Nikolaisaals? Haben sich ein paar Autonome eingeschlichen, um den Klassik-Betrieb zu stören? Natürlich nicht! An drei Vormittagen wurde hier in der Show „Hiphop meets Classic“ mit anschließendem Schüler-Workshop zusammengebracht, was eher selten zusammenkommt: Klassik und Hiphop. Die Idee trug die Potsdamer Choreografin Marita Erxleben an Friedemann Werzlau von der Kammerakademie Potsdam heran. Werzlau entwickelte das musikalische Konzept, verknüpfte geschickt klassische und moderne Schnüre und Erxleben studierte mit zwei Tänzern und einer Tänzerin eine Choreografie aus Ballett und dem hiphop-typischen Breakdance ein. Berührungsängste gab es für Werzlau nicht. Der umtriebige Musiker hat von Techno bis Rockmusik schließlich schon allerlei Felder beackert. Das Hiphop-Projekt war aber für die Klassiker ein Erstkontakt. So war es keinesfalls eine pädagogische Einbahnstraße, die Kinder an klassische Musik führen sollte, sondern brachte auch den Klassikern Einblicke in eine neue, interessante Musikwelt. Wenn man sich den begeistert-rappenden Werzlau dann auf der Bühne anschaut, steht außer Frage, dass auch in ihm ein kleiner Hip-Hopper steckt.

Knapp hundert Schüler konnten das Spektakel miterleben und mitmachen. Denn nachdem sich in der 40-minütigen Show Breakdancer, Tänzerin und die Klassiker immer näher kommen und schließlich auch gemeinsame Sache machen, wird aktive Mitarbeit von den Schülern gefordert – und das ganz ohne Notendruck (im doppelten Sinne). Die Schüler wurden in vier Gruppen geteilt: eine Rhythmus-Fraktion und drei Tanzgruppen.

Nach einer halben Stunde Vorbereitung mit Musikern und Tänzern kommt es dann zur Aufführung: auf Pappkartons und Getränkepackungen trommeln zwei Dutzend Kinder den eingängigen Bolero-Rhythmus. Mit einem der Streetdancer als „Leithammel“ versuchen sich sodann die anderen Gruppen an Choreografien und Breakdance-Figuren – alles ein bisschen durcheinander, aber der Spaß ist den Schülern ins Gesicht geschrieben.

„Toll, dass alle mitmachen, sogar die etwas schüchternen Schüler“, freut sich Viola Meier, die mit ihrer Sechsten von der Karl-Hagemeister-Grundschule aus Werder gekommen ist. „So etwas sollte es öfter geben.“ Schon prägt sie sich Elemente ein, denn in den nächsten Monaten ist sie als Aushilfs-Musiklehrerin tätig.

Mit einem begeisterten Applaus für Musiker, Tänzer und die Schüler selbst endet der Workshop. „Natürlich klappt nicht alles beim ersten Mal“, sagt Werzlau. „Die Kinder sollen ruhig etwas frustriert rausgehen, dann ist der Ansporn für sie nur größer, mal selber ein Instrument oder einen Tanz richtig lernen zu wollen.“ Und vielleicht tauschen Lehrer und Schüler auf dem Schulhof bald auch Klassik- und Hiphop-CDs aus.

Christoph Henkel

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