zum Hauptinhalt

Kultur: Der „reformatorisch Erleuchtete“

Martin Walter sprach über Martin Luther

Stand:

Bis zum 500. Jahrestag von Luthers Thesen über den Ablass im Jahr 2017 ist es zwar noch eine Weile hin. Aber es kann ja nicht schaden, sich zwischendurch mal der Glaubenssätze zu besinnen, die sich auf den protestantischen Übervater Martin Luther beziehen. Gelegenheit dazu war der Vortrag am Dienstag in der „arche“. In Vertretung des erkrankten Referenten Norbert Clasen stellte der Potsdamer Martin Walter die Grundsätze des angeblich großen Reformators in einem fast übervollen Raum dar. Dabei ging es weniger um die Frage, ob Luther nun ein Lehrer im Glauben war. Allein die Darstellung von Herkunft, Stand und all den Grundsätzen des Protestantismus versetzt auch heute noch die Gemüter in höchste Erregung. Walters Darstellung war fair, ein charmant-lakonischer Ton verhinderte eifernden Streit.

Nicht etwa theologischer Zwist, sondern Geld und Güter waren für Walter der „Treibstoff der Reformation“. Rom betrieb den Ablasshandel, die Kalvinisten in Genf meinten ihren Glauben durch eine möglichst prall gefüllte Geldkatze gerechtfertigt zu finden, bei den Lutherischen ging es um Enteignung und Zerstörung der monastischen Strukturen. Mit dem Erlös konnten die verschuldeten Fürsten auf die Seite der Protestler gezogen werden. „Luther wollte tatsächlich alles umdrehen“, so der Referent. Schützenhilfe bekam er ausgerechnet von den Humanisten und den „Ohrenbläsern der Philosophie“. Einer war Melanchthon, der heftig mit Kalvin liebäugelte. Walter sieht es als Luthers Verdienst, dessen Einfluss in Wittenberg zurückgedrängt zu haben, wie die kalvinistische Prädestinationslehre auch, der Vorherbestimmung allen Seins. Aber das gehört schon zu Luthers Theologie, die sich quasi in einer Art Zweifrontenkrieg befand, gegen Rom und gegen Genf, wo man zum Beispiel das Abendmahl zu einer reinen Gedächtnisfeier an Jesu degradiert hatte. Mit seiner Zweireiche-Theorie trennte Luther Himmel und Erde noch einmal, es seien zwei Regimenter, die nichts miteinander zu tun hätten, ein gegenseitiges Durchdringen gebe es nicht. Ein Weiterleben der Seele nach dem Tod lehnte er ab, erst beim Jüngsten Gericht werde man völlig neu erschaffen. Deshalb verbot der Reformator auch Gebete an die Verstorbenen. Tot sei tot!

Bei aller Fairness fand Walter weder an Luthers Art, Sünde und Sünder zu rechtfertigen, noch an seiner Abendmahl-Variante einen Gefallen. Weder am protestantischen Arbeitsethos, dem er Handlungszwang nachsagte, noch in Bezug auf die Kraft der Werke. Muße und Spiritualität hielt Luther ob mangelnder Nutzanwendung ohnehin für überflüssig. Er ignorierte Hölle und Fegefeuer, weil diese in keinem philosophischen System vorkommen, und setzte vor Worte wie Christus oder Gnade sein berühmtes „allein aus“ (sola), wodurch der tiefgläubige Augustiner zum Beispiel die Muttergottes aus dem protestantischen Christsein hinauswarf. Walter nannte die Lehre des „reformatorisch Erleuchteten“ – er soll im Duell einen Mitstudenten getötet haben, daher die Flucht in ein Kloster – theologisch eng und inkonsequent, vor allem aber sehr irdisch. Woher Luther seine Impulse habe? Vom Teufel, so Martin Walter und zitierte den Aufsatz „Von Winkelmesse und Pfaffenweihe“, nachzulesen in der evangelisch genehmigten Studienausgabe. Später taten auch die Freimaurer mit, wie Fontane in seinen Wanderungen bezeugt.

„Luther hat die ganze Welt zerspalten, alle Länder, alle Familien. Vater war Katholik, die Mutter Protestantin, da gab es viel Streit, viel Leid, viel Traurigkeit“, sagte eine Hörerin im Disput danach. Ein starker und vor allem anspruchsvoller Abend. Gerold Paul

Gerold Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })