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Kultur: Der reine Klingklang

Keimzeit.Akustik in der Waschhaus Arena

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Wenn ein Akustikkonzert angekündigt wird, muss automatisch die Aufmerksamkeit jeden Musikliebhabers steigen, versprechen doch unverstärkte Instrumente optimale Klangentfaltung und höchsten Hörgenuss. Die Potsdamer Band Keimzeit hat vor zwei Jahren solch ein Projekt um den reinen Klang aktiviert. Keimzeit.Akustik nennt sich die neue Formation um den Sänger und Gitarristen Norbert Leisegang, der außerdem die Geigerin Gabriele Kienast, Kontrabassist Hartmut Leisegang und der Gitarrist und Sänger Rudi Feuerbach angehören. Das Repertoire, dass am Freitagabend auf die Gäste der Waschhaus Arena wartete, bestand vor allem aus den feinsinnigen Texten der Band Keimzeit und wurde angereichert mit gecoverten Filmmusiken und ausländischen Originalen.

Doch im Musikgeschäft geht fast nichts mehr ohne Anheizer und so trat erst einmal Barbara Cuesta auf die Bühne der an diesem Abend bestuhlten Arena. Die schmale junge Frau, nur behangen mit einer Gitarre, wirkte erst einmal etwas verloren dort oben. Doch hilflos oder schwach ist die 27-jährige Wahlberlinerin keineswegs. Bereits in ihrer Jugend hat sie Straßenmusik gemacht und sich so ihr Abitur finanziert. Schnell stellt sie fest, dass Musik ihr Leben ist und geht in ihrer Entwicklung einen zielstrebigen Weg, tritt in Bars auf, geht nach Berlin und veröffentlicht zwei Alben.

Das Potsdamer Publikum war fasziniert von der hellen, klaren Stimme, den simplen Gitarrenläufen und reduzierten Arrangements ihrer Songs, die gleichzeitig verspielt und raubeinig daherkamen. Das passte gut zu ihrer Erscheinung, denn als sie, schon etwas erhitzt, ihre Jacke auszog, wirkte sie, trotz ihrer Zartheit, in dem kurzen Kleid, den Schnürstiefeln und mit wilder Lockenmähne beinahe amazonenhaft. Ganz anders als ihre Musikerkollegin Gabriele Kienast, die wenig später noch einmal kurz von der Bühne rennt und den Anfang des eigentlichen Konzerts verzögert, weil sie augenscheinlich eines ihrer Instrumente vergessen hat. Diese Frau wirkt adrett und hübsch in ihren Stiefeln, dem schmalen, knielangen Kleid und dem netten Lächeln.

Auch ihr Geigenspiel bleibt klassisch, sehr emotional, ein wenig an ihren Kollegen, den Rockgeiger David Garrett erinnernd. Ausladend und energetisch fügt sie sich in die sehr karibisch anmutenden Variationen von „Trauriges Kind“ oder „Schwein“, Songs aus den ganz frühen Keimzeittagen. Der südliche, lebensfrohe Sound sollte einen Großteil des Konzertes ausmachen und war ausschließlich Leisegangs Texten vorbehalten. Das diese Band aber mehr kann als nur gute Laune und verspielte Botschaften, bewiesen die Ausreißer aus dem Programm. Mit Rudi Feuerbach beispielsweise hielt plötzlich der melancholische Singer/Songwriterton Einzug, und die Interpretation eines Gitarrenstücks aus dem Film „VickyChristinaBarcelona“ gelang hitzig und temperamentvoll. Auch mit dem in der Zugabe in Französisch und Deutsch vorgetragenen Stück „Generalstreik“ bewiesen Keimzeit.Akustik Humor und Leichtfüßigkeit.

Was jedoch der in der Mitte des Konzertes von Norbert Leisegang vorgetragene zehnminütige Text über eine Zugfahrt von Budapest nach Sofia sollte, blieb unklar. Vielleicht versucht sich der Musiker ja an einer Schriftstellerkarriere? Und auch die Inkonsequenz, mit der die Band, die mit „Der Löwe“ einen wunderbaren Konzertabschluss hätte schaffen können, doch noch einmal auf die Bühne kommt und für die hartnäckigen Fans den Ohrwurm „Klingklang“ aus der Kiste holt, ist schade. Aber das mit dem Loslassen ist ja bekanntlich eine komplizierte Angelegenheit. Andrea Schneider

Andrea Schneider

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