Kultur: Der Siegeszug des Underdogs Der Kontrabassist Roman Patkoló im Nikolaisaal
Der Kontrabass ist sicher das am meisten verkannte Instrument. Kein anderes wird so gern verspottet.
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Der Kontrabass ist sicher das am meisten verkannte Instrument. Kein anderes wird so gern verspottet. Er gilt schon als rechter Underdog in Orchestergesellschaft. Dabei läuft ohne ihn nichts. Denn der hölzerne Riese – im „Karneval der Tiere“ verkörpert er das Ballettsolo der Elefantenprimaballerina – kann noch viel mehr als für dunkle Farben und treibende Rhythmen zu sorgen. Jedenfalls dann, wenn er von solch einem fantastischen Musiker wie Roman Patkoló gespielt wird. Sein Auftritt mit den Brandenburger Symphonikern unter der Leitung von Michael Helmrath ließ das Konzert der Reihe „Klassik am Sonntag“ im Nikolaisaal zu einem musikalischen Höhepunkt des Jahres werden.
Roman Patkoló, der von Anne-Sophie Mutter gefördert wurde und inzwischen Solo-Bassist am Züricher Opernhaus sowie Professor an der Münchner Musikhochschule ist, lockte aus dem nicht gerade für Virtuosität bekannten Instrument die unwahrscheinlichsten Klangfarben. Die Steilvorlage lieferte ein Konzert von Johann Matthias Sperger, jenem Virtuosen, der am Ludwigsluster Hof des Herzogs von Schwerin für die rechten Töne sorgte, nicht nur beim Bass. Sein 15. Konzert wird nicht nur ob seiner technischen Herausforderungen gefürchtet, sondern gilt auch als wertvollstes klassisches Kontrabasskonzert. Roman Patkoló spielte ungeheuer geläufig, völlig intonationssicher und mit gezähmter innerer Glut. Der schlanke, absolut unprätentiöse Ton des Kontrabasses sorgte für exotische Reize und verlieh solch dramatischen Prunkstücken wie der „Tarantella“ von Giovanni Bottesini poetische Ausdruckskraft. Sogar solch ein Schmachtfetzen der Klassikhitparade wie das angeblich von dem Barockkomponisten Tomasso Albinoni stammende „Adagio“ klang in dieser puristischen Version wie neu, ergreifend und bewegend.
Gerahmt wurden die berückenden Klänge von zwei symphonischen Werken der Klassik. Josef Haydns Oper „L“incontro improviso“ bedient lustvoll die Türkenmode der Zeit. Schon die von den Brandenburger Symphonikern mit dezentem Charme gespielte Ouvertüre enthält eine Reihe musikalischer Exotismen beim Schlagwerk und in den Harmonien des Mittelteils. Mit ganz großer Klassik von Wolfgang Amadeus Mozart fand das Ausnahme-Konzert einen würdigen Abschluss. Die Jupiter-Symphonie mit ihrer exzeptionellen musikalischen Farbpalette, den Umschwüngen und polyphonen Kondensationen fand bei den Brandenburger Symphonikern mannigfaltige Klanggestalten. Mit viel Zartgefühl zerlegte Helmholtz Motive und Sequenzen, um sie in weitschwingenden Tableaus blühender Klänge zusammenzufügen.
Gebannt folgte das Publikum, ohne Husten und Niesen, dem zauberhaften zweiten Satz, ein ferner Traum, eine innige Suche mit friedlichem Ausgang. Im festlichen Glanz des spritzigen Feuerwerks des vierten Satzes endete das begeistert applaudierte Konzert.Babette Kaiserkern
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