Kultur: Der Sprachpfleger als Entertainer Bastian Sick im Nikolaisaal
Er sollte nicht unbedingt singen. Obwohl Deutschlands berühmter Sprachpfleger Bastian Sick am Mittwochabend im fast ausverkauften Nikolaisaal seine Qualitäten als Entertainer durchaus wacker unter Beweis zu stellen versucht, sind nicht sie es, mit denen er seinen Gästen Beifallsstürme entlocken kann.
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Er sollte nicht unbedingt singen. Obwohl Deutschlands berühmter Sprachpfleger Bastian Sick am Mittwochabend im fast ausverkauften Nikolaisaal seine Qualitäten als Entertainer durchaus wacker unter Beweis zu stellen versucht, sind nicht sie es, mit denen er seinen Gästen Beifallsstürme entlocken kann. Schon eher überzeugt er durch seine bewährte Art, stets humorvoll unterhaltend und zugleich kompetent und verständlich, sicher durch das dichte Regelwerk der deutschen Rechtschreibung und Grammatik zu wandeln und dabei auf die zahlreichen Fallen und Fußangeln erläuternd hinzuweisen. Doch erst dank einer leidenschaftlich zusammengetragenen großen Bilderschau sprachlicher Unfälle und Kuriositäten, ist dem Mann an diesem Abend reichlich Zuspruch und Begeisterung gewiss.
„Nur aus Jux und Tolleranz“ heißt das aktuelle Bühnenprogramm, für das sich Bastian Sick in feinen Zwirn geworfen hat. Aufgeräumt und hektisch heiter präsentiert er sich in gleich zwei dunkel glänzenden Anzügen an einem Abend, tänzelt er immer wieder die Bühne auf und ab, bisweilen einen Gassenhauer anträllernd. Hinter ihm, auf einer großen Leinwand, laufen kurze Filmchen, die beweisen, wie schwer es vielen Passanten fällt, Bolognese richtig zu schreiben oder hinter dem Wortungeheuer Personenvereinzelungsanlage eine Drehtür zu vermuten. Auch das Sächsische scheint immer gut für einen Witz, zumal es so flexibel sei, so Sick, dass ein Satz wie „Reeschen wer ma krieschen“ auch mit „Regenwürmer kriechen“ übersetzt werden könne. Schnell kann Bastian Sick so manche Schenkelklopfer landen. Erst recht, als er per Diashow kuriose, zufällig fotografierte Firmenschilder wie etwa „Metallbau Josef Dotterweich“, „Fahrschule Schrott“, „Geisel-Transporte“ oder „Metzgerei Made“ präsentiert. Und als offenbar tiefe Fundgrube unglücklicher, sinnentstellender Schreibfehler erweist sich der Einzelhandel mit Werbeschildern, auf denen „Vollwachmittel“, „Mangos von der Elfenbeinkiste“, „Bosskopf Äpfel“ oder „feinste Vollkotzbrocken“ genau so angepriesen werden wie eine „Celebraischen Champion Flasche“, ein „Bissnesslantsch“, „American Cheeskacke“ oder auch „Tierluft-Ballons“. Geschickt versteht es Bastian Sick, jeden dieser Wortunfälle eigens anzukündigen und noch kernig zu kommentieren, sobald sich die Lachwogen wieder gelegt haben. Bald schon hat man das Gefühl, diese regelmäßig auflebende, lustige Bilderabfolge sei die Hauptattraktion seiner Show, die immer dann wieder etwas erlahmt, wenn der Mann sich hinter seinen Schreibtisch setzt und etwa über die Verwechslung von Personal- mit Anredepronomen witzelt, nach einem kleinen Quiz etwas umständlich erklärt, weshalb es nicht Schmand sondern Schmant heißen muss, mit 32 verschiedenen Schreibweisen von Kongresszentrum Verwirrung stiftet oder lang und breit über den inflationären Gebrauch der Amerikanismen im Deutschen klagt.
Freilich, bleibt da der Spaß nicht auf der Strecke. Doch immer wenn Bastian Sick, der Retter des Genitivs, etwa über den „Vonitiv“ in Sätzen wie „Mutter von vier Kindern erschlagen“ doziert und dabei augenzwinkernd seine Aha-Effekte vermittelt, dringt schnell der Kolumnenschreiber durch und verheddert sich der belehrende Finger in einer zweifelhaften Bühnenkomik. Und geradezu pflichtschuldig springt er auf, singt zur Melodie von „How Deep Is Your Love“ mit verhallter lauter Stimme: „Wie gut ist dein Deutsch“. Daniel Flügel
Daniel Flügel
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