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Kultur: Der Teufel spricht: „Es gibt mich nicht!“

Mathias Faustmann sprach in der „arche“ über den Exorzismus von katholischen Priestern

Stand:

War die 23-jährige Anneliese Michel nun von bösen Dämonen besessen, oder litt sie einfach an Epilepsie? Diese Frage brachte 1976 ganz Westdeutschland in Aufruhr, denn nach neunmonatigem Beten zweier im Exorzismus geschulter katholischer Priester verstarb die junge Frau. Es gab eine Gerichtsverhandlung, sowohl die Fürbitter wie auch ihre Eltern wurden wegen „Unterlassung medizinischer Hilfeleistungen“ verurteilt. Dieser gar nicht klare Fall wurde jüngst in den Spielfilmen „Der Exorzismus der Emily Rose“ und „Requiem“ rekonstruiert. Für die „arche“ eine günstige Gelegenheit, ihr Verhältnis zur „Teufelsaustreibung“ deutlich zu machen, zumal dieselbe ja im katholischen Lager auch heute noch praktiziert wird. Der Unterschied zu „magischen Ritualen“ esoterischer Kreise ist allerdings groß: Versuchen diese ihre Exerzitien aus eigener Kraft, so bitten extra geschulte Priester (jährlich werden Hunderte in Rom ausgebildet) den Herrn per Gebet, solch gnadenvolle Werke selbst zu vollbringen. Man weiß sich auch hier in der Nachfolge Jesu Christi, der dazu ausdrücklich Vollmacht gab.

Unter dem klassischen Titel „Der Teufel spricht: Es gibt mich nicht“ referierte Kaplan Matthias Faustmann am Dienstag in einer proppevoll besetzten „arche“ sehr lehrreich zu diesem Thema. Besagte Filme spielten dabei eine untergeordnete Rolle. Er fragte eher nach dem Woher und Warum, was die Existenz und also Anerkennung „übersinnlicher Phänomene“ ebenso einschließt wie die Frage, wovon denn die Verkündigung den Menschen erlösen solle. Damit tat sich die ewige „Sinnfrage“ ebenso auf wie das Forschen nach dem Inferiorischen, nach den tatsächlichen „Herren der Welt“. Die Leugnung des bei den Katholiken stets personalisierten „Bösen“ durch Aufklärung und Vernunft, sagte der Referent, sei allerdings so wenig nachhaltig wie der Versuch, „den Menschen aus sich selbst heraus zu erklären“. Immer mehr Zeitgenossen suchten jenseits der „banalen Welt“ nach Sicherheiten. Die „Theologie“ setze dieses Werk nun auf zwei „Pfeiler“: Gott ist nicht der „Urheber des Bösen“, zweitens kämen die meisten Entartungen aus der „menschlichen Freiheit", die seine Werke zerstöre. Das Böse, im Neuen Testament von Dämonen verkörpert, welche Christus zwar kannten, aber nicht bekennen dürften, wird dabei als eine Art „schöpferische Genialität“ der Vernichtung (Auschwitz) verstanden. Das Leben des Menschen in dieser dualistischen Welt sei ein steter Kampf zwischen Gut und Böse, und der katholische Katechismus begleite die Gläubigen dabei schon von der Taufe („erster Exorzismus“) an. Auch im täglichen Vaterunser ist ja die Bitte um Schutz schon enthalten. Überall da, wo „Gott schwindet“, entstünden dagegen die quälenden Ängste. Jenes verführerische „Es gibt mich nicht!“ indes gelangte bald in manches philosophische oder protestantische Ohr. Wie gut, dass die „arche“ dergestalt an die Spiritualität des Christseins erinnert.

Mit der offiziellen Definition von „Besessenheit“ war das gesprächsfreudige Auditorium indes nicht einverstanden, denn unerlerntes „Verstehen fremder Sprachen, Wissen um geheime Dinge und außergewöhnliche Kräfte fände man auch bei „Nicht-Besessenen“. Hier fehle eine „christliche Dämonologie" zur sicheren Orientierung, klagte Faustmann: „das Böse wird wohl immer ein Geheimnis bleiben!“ Anneliese Michel alias Emily hörte nun Stimmen, verfügte über gewaltige Kräfte, bekam die Raserei und verkündete dabei noch christliche Lehren. Sie selbst bat um einen Exorzismus, welchen nur geschulte Priester „mit Erlaubnis des Bischofs“ ausführen dürfen. Ihre Todesursache bleibt ungeklärt. Eine US-Publizistin will herausgefunden haben, dass ihn gewisse Medikationen der Ärzte - gegen Epilepsie - verschuldet hätten. Irgendwer scheint das Wesen der christlichen „Teufelsaustreibung“ doch nicht richtig verstanden zu haben.Georg Martinger

Georg Martinger

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