Kultur: Der transsilvanische Dandy
Volle Hütte bei „Bela B. y los Helmstedt“ im Lindenpark: Der Ton ist rauer als bei Ärzte-Konzerten
Stand:
Wer am Montag zum Konzert des Chef-Arztes Bela B. zu spät kam, wurde gleich doppelt vom Leben bestraft: Zum einen verpasste er die fabelhafte Vorband Thee Flanders, die anschließend mehrmals von Graf Bela persönlich gelobt wurden. Des Weiteren hatte er vielleicht Probleme, seine Rolle als Zuschauer aktiv wahrzunehmen. Der Lindenpark war gepackt bis unters Dach und ganz Späte mussten sich mit Hörer-Plätzen in einem toten Winkel des Lindenpark begnügen.
Wie ein transsilvanischer Dandy betritt Bela B. die Bühne in Anzug mit Krawatte und Zylinder. Für seine Solokonzerte hat er wieder seine Begleitband „Los Helmstedt“ mobilisiert. Die brettern nach der „B-Vertüre“ munter los. Bela singt sich warm: „Mach die Gitarre runter! Wir wollen deinen Sack nicht sehen“. Hunderte geölte Kehlen stimmen ein. Der Ton ist rauer, als bei Ärzte-Konzerten. Die Gitarren (Odin Awesome Olsenstolz und Wayne Jackson) drücken in den Ohren und Schlagzeuger Danny Young, der früher die Sticks bei Gluecifer (der Rockgott habe sie selig!) schwang, betreibt hinter seinem Drumkit Hochleistungssport. An der Kompetenz des Solo-Arztes besteht an diesem Abend nie Zweifel. Ohne zu zögern lässt sich das Publikum von Bela B. befehligen: „Klatschen!“ ruft er und Hunderte Händepaare gehen nach oben. Ein absolutes Stimmungshoch erreicht den Saal bei „1., 2., 3.“. Nachdem Bela das lernwillige Publikum eingewiesen hat, wie man bis vier zählt, ist kollektives Wohlsein angesagt und der Charme tänzelnder 60er-Jahre-Musik liegt in der Luft. Ein typischer Ärzte-Song, den Bela da auf sein Soloalbum entführt hat. Wer das mit dem Tanzen noch nicht stilvoll genug hinbekommt, orientiert sich am Herrn auf der Bühne, der mit seiner bezaubernden Duettpartnerin Ina Paule Klink ein Tänzchen wagt. Klink ist bei „Los Helmstedt“ das dringend notwendige weibliche Gegengewicht zur literweisen Testosteron-Ausschüttung auf der quantitativ bestimmenden Männerseite der Band.
Bela spielt sich durch sein Soloalbum „Bingo“ und streckt das Konzert durch einige Coverversionen, die aber etwas einfallslos daherkommen: Bei „My Sharona“, im Original von The Knack, setzt man einzig auf die treibenden Drums, die von Danny Young zugegeben knackig in die Felle geprügelt werden. „Und es war Sommer“ (ja genau, von Peter Maffay!) soll wahrscheinlich als Parodie gedacht sein. Außer bei einer Handvoll Betrunkener stößt sie aber auf wenig Gegenliebe.
Zum Glück hat Bela noch einige eigene Songs in der Hinterhand, um das Publikum selig zu stimmen. „Wiehr thind sssuper“ wird betanzt wie besungen und „Deutsche kauft nicht bei Nazis“ bekräftigt das Publikum mit einem lauten „Nazis raus!“-Sprechchor.
Zum Schluss siegt die Gewissheit, dass Bela B. auch ohne seine beiden Ärzte-Kollegen Farin und Rod nicht durchfällt. Ein jubelnder Lindenpark bestätigt dies.
Christoph Henkel
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