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Millionenschwer, mit Sicherheit. Die Kunst von Bernd A. Chmura aka Archimura und Fredo Folcini im „sans titre“.

©  Andreas Klaer

Kultur: Der wahre Wert der Ware Kunst

Bernd A. Chmura und Fredo Folcini und ihre Ausstellung „Pasiòn del Movimiento“ im „sans titre“

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Ist das Kunst oder kann das weg? Wenn zwei Künstler schon derart mit den Klischees und ungeschriebenen Regeln des Kunstmarktes spielen, darf auch der platte Spruch nicht fehlen. Platt aber ist das, was Bernd A. Chmura aka Archimura und Fredo Folcini sich da ausgedacht haben überhaupt nicht. Auch, wenn es auf den ersten Blick plakativ wirkt: Blau, rot und gelb schreien Folcinis riesige Bilder von den Wänden im Kunsthaus „sans titre“, auf einem schwappt Wein aus einem umgestürzten Glas. In einer Ecke steht ein Fettnapf, als Verweis auf die Beuyssche Fettecke.

Die Installation des 1986 verstorbenen Künstlers Joseph Beuys wurde in der Düsseldorfer Kunstakademie irgendwann beim Putzen einfach weggewischt. Womit wir wieder bei der Ausgangsfrage wären und zugleich beim eigentlichen Thema der Ausstellung „Pasión del Movimiento“ im „sans titre“ – der teuersten Ausstellung Europas, so die Behauptung der Künstler. Denn Archimuras und Folcinis Bilder sind mehrere Millionen schwer. So steht es auf den von ihnen selbst verfassten Preislisten. Auch Beuys Werke gehörten lange zu den teuersten auf dem Markt – neben denen von Andy Warhol und Yves Klein.

Mittlerweile haben Maler wie Georg Baselitz und Gerhard Richter den Aktionskünstler als gefragtesten Künstler abgelöst und überrundet: Ihre Werke gehen bei den Auktionen schon mal für 29 Millionen Euro weg. Und was so teuer ist, ist eben gut, oder? „Solche Hypes sind konstruiert“, sagt Archimura. Einflussreiche Sammler machen die Künstler durch solche Preise zur Marke. „Die pushen den Markt, kaufen sich die Werke gegenseitig weg und schnüren sich damit ein Aktienpaket.“ Andere Käufer mit weniger Ahnung zögen dann mit, weil der materielle den ideellen Wert der Bilder zementiere.

Archimura, der selbst an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig (HGB) studiert hat, damals, als Werner Tübke und Bernhard Heisig noch Rektoren waren, hat sich die Werke von Richter und Baselitz genau angeschaut. Und festgestellt: „Die kochen auch bloß mit Wasser.“ Und klar würde er selbst auch gerne in einem höheren Preissegment angesiedelt sein, wie er sagt. Aber das ist ihm bisher nicht gelungen.

Dann kam der Regisseur Folcini im Sommer zu ihm mit der Idee, eine gemeinsame Ausstellung zu machen – und die Preise einfach selbst festzulegen. „Die Idee hätte auch von mir sein können“, sagt Archimura und lächelt verschmitzt. Zum Kunstmarkt steht Folcini allerdings ein bisschen anders: „Ich ignoriere ihn, mich interessiert nicht, ob es einen Baselitz gibt oder einen Gerhard Richter – ich respektiere aber, dass die es auf ihre Art geschafft haben, die Leute zu verarschen.“ Mit Neid, sagt er, hat das nichts zu tun. Neid wäre schließlich die höchste Form der Anerkennung. Die aber haben weder er noch Archimura nötig.

Die beiden stehen hinter ihren Bildern – und warum sollten sie dann nicht auch selbst bestimmen, was ihre Werke wert sind? „Da hat uns keiner reinzureden“, sagt Folcini. Das geht, weil beide eben völlig frei arbeiten, keinen Galeristen haben, der über die Bedeutung und den Preis ihrer Arbeit bestimmt. Das Ganze ist keinesfalls als Witz gemeint, sondern eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem wahren Wert der Ware Kunst.

Folcini weiß, dass er als Autodidakt nicht die handwerkliche Finesse besitzt wie Archimura und versucht auch nicht, darüber hinwegzutäuschen. „Ich bin gerne plakativ“, sagt er, aber er hat den Willen zur gestalterischen Aussage. Eines der fünf Bilder, die er für die Ausstellung gemalt hat, ist bereits verkauft – an einen unbekannten Käufer. Ob der tatsächlich den angegebenen Preis – bei Folcini liegt das pro Bild zwischen 1,5 und 5 Millionen Euro – bezahlt hat? „Über die Summe wird Stillschweigen bewahrt“, sagt er.

Mehr noch als über den Verkaufserfolg freut er sich über die unterschiedlichen Deutungen, die etwa sein Weinglas schon hervorgerufen hat: „Männer erkennen darin oft die Impotenz auslösende Wirkung des Alkohols“, die drei Schaumkronen der Weinwelle interpretierten sie als erschlaffte Penisse. Andere sähen darin eher den gierigen Griff einer Kralle.

Bei Archimura dreht sich hingegen alles um den Hintersinn. Er malt Bilder von Bildern, die über dem Boden des „sans titre“ hängen, fleckiges graues Linoleum – unter den Füßen der Betrachter und auf Augenhöhe auf der Leinwand. Und darüber zitiert und persifliert er weiter, malt von einem Bild nur die Rückseite oder in das Bild auf dem Bild nur wieder ein weiteres Bild. Um den Preis festzulegen, hat er einfach das jeweilige Datum verwendet. „Ich musste also immer am Ende des Monats malen, damit es nicht zu billig wird.“

Das gilt auch für seine Reihe von „Drudel“, im Cartoon-Stil gemalte, kleine Detailausschnitte eines größeren Ganzen. Auf den ersten Blick scheint jedes von ihnen etwas ganz anderes zu sein. Meistens etwas Anzügliches. Zwei Kugeln etwa, die auf ein hoch aufragendes Tor zurollen, oder etwas, das aussieht wie ein simpler Barcode: „Das sind in Wahrheit die Zahlen von eins bis zehn von der Seite.“ Er brauche den Witz hinter der Ästhetik, eine zweite, nicht ganz so ernste Ebene im Bild. „Das Spielerische darf einem nicht peinlich sein“, sagt Archimura. Und wehe, jemand fragt, was sich der Künstler dabei gedacht hat. „Das ist ein schwachsinniger Satz.“ Ihm ist es lieber, die Menschen finden eine eigene Interpretation. Ein wenig marktschreierisch aber müsse die Kunst schon sein. „Wer leise ist, verkauft nichts.“

Leise sind Archimura und Folcini bestimmt nicht, ihre millionenschwere Ausstellung soll nicht in Potsdam bleiben. Dank ihrem Förderer, dem Potsdamer Architekten Albert Braun, sollen die Werke rund um die Welt gezeigt werden. Kiev, Addis Abeba und Montevideo sind schon geplant. Und wer kann schon sagen, welcher einflussreiche Sammler unterwegs auf ihre Arbeiten aufmerksam wird.

„Pasión del Movimiento“ im „sans titre“, Französischen Straße 18, bis zum 22. Dezember, dienstags bis freitags, 14-18Uhr, samstags und sonntags, 12-18 Uhr

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