Kultur: Der Weg der Krise
Deutschlandpremiere des Oscar-prämierten Dokfilms „Inside Job“ im Filmmuseum
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Kapitalismus hat mit Kapital zu tun, also mit Geld. Dieses Kapital schreckt, nach Marx, vor keinem Verbrechen zurück, wenn es nur „Mehrwert“ hecken kann, also Profit. Elend entstehe daraus, Krisen und Krieg, andererseits aber unglaubliche Gewinne, weit mehr als nur vierhundert Prozent. War die von der Wallstreet verschuldete „globale Finanzkrise“ um 2008 denn etwas anderes als der Versuch, das lendenlahm gewordene Kapital mal wieder „zum Hecken“ zu bringen? Die urplötzliche Staats- und Finanzpleite eines intakten Gemeinwesens wie Island ist genauso in Erinnerung wie der folgenschwere Zusammenbruch von „Lehmann Brothers“, die Krisen um GM und Chrysler und die wundersame Regeneration von „Goldmann Sachs“, einem der Hauptgewinner des trillionenschweren Crashs. Nachdem sich Goldmanns „Beste“ an ihm dumm und dusselig verdient hatten, findet man gerade sie in wichtigen Positionen der Obama-Administration wieder, zum Beispiel als hochdotierte Finanzberater. Oder an den Schaltstellen der US-Elite-Unis, Spezialfach Ökonomie, was denn sonst.
Der US-Dokumentarfilmer Charles Ferguson ging dieser schlimmsten Finanzkatastrophe seit dem „Schwarzen Freitag“ 1929 in seinem jüngsten Opus „Inside Job“ (2010) mit höchster Präzision nach. Als Lohn erhielt er in diesem Jahr einen „Oscar“, die DVD-Fassung belegt derzeit Platz Fünf der meistverkauften Charts in den Staaten, wo der Zweistundenfilm in zweihundert Kinos läuft.
Am Mittwoch hatte „Inside Job“ im gutbesuchten Filmmuseum seine Deutschland-Premiere. Kooperationspartner war das Potsdamer Einstein-Forum, das sich derzeit in einem Workshop mit dem Thema „Deregulierung und globale Finanzkrise“ beschäftigt. Der als „bester Drehbuchautor“ ausgezeichnete Chad Beck und zwei Kursteilnehmer standen dem überwiegend englischsprechenden Publikum dann Rede und Antwort; einige konnten auch Deutsch.
Der Film verfolgt mit Namen und Adresse den Weg der Krise von ihrer Entstehung über seine globalen Folgen bis heute, wo fast wieder alles so läuft wie vor der Krise. Dazu interviewte der Filmemacher allerlei Prominenz aus Staat, Finanzwelt und Universitäten, wenn auch FED-Chef Ben Bernanke oder Ex-Finanzminister Henry Paulson dankend absagten.
Wer nun meint, in dieser kapitalorientierten Welt sollte „doch eigentlich“ alles mit rechten Dingen zugehen, wird Freude an diesem Aufklärungsfilm haben. Er enthält an Zahlen, Statements und Zusammenhängen fast alles, was man über diese hausgemachte Superkrise wissen muss. Natürlich auch die Bestechungssummen für Abgeordnete und Dankzahlungen an akademische Grade für bestellte Finanzexpertisen – etwa zur Begründung, warum das Kapital fortan weniger Restriktionen wünscht. Mit dem mal verdeckt, mal offen geforderten Abbau staatlicher Regulative fing das ganze Elend schließlich an, und die skrupellosen Banker gingen für tausend Prozent Gewinn jedes Risiko ein. Den Schaden hatten die kleinen Häusler in den USA, oder jene zehn Millionen chinesischer Wanderarbeiter aus der Zuliefer-Industrie, die so ihr Brot verloren. Den Finanzbonzen bekam der Crash wie eine Badekur. Noch als es ans Aufräumen ging, erhielten die Verursacher Boni bis zu neunhundert Millionen Dollar, pro Person. Dafür stiegen die Studiengebühren in Californien auf jährlich zehnausend Dollar. Schwindender Mittelstand, wachsende Armut, und keiner der Verantwortlichen musste natürlich je hinter Gitter.
Wem solche Krisen aber nicht Ausnahme, sondern Regel bedeuten, findet in diesem Film einfach nur die „Konzentration von Kapital“ wieder, so wie man das selbst noch gelernt hat. Die Herrschaft Pecunias über alle Werte, allein Geldgier ausgenommen. Hier ist jede Krise wie ein Krieg ohne Schießen.
Gerold Paul
Gerold Paul
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