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Kultur: Der Weg ins Innere

Tänzerisches aus Finnland, erlesener Celloklang und eine moderne Beethoven-Interpretation im 8. Sinfoniekonzert

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Dass Finnlands Musik anders ist, weiß man spätestens seit den Heavy Metall-Cellisten von Apocalyptica und dem schreienden Männerchor Mieskuoro Huutajaat. Mit den „Nächtlichen Tänzen des Don Juanquixote“ stellte die Kammerakademie Potsdam nun am Samstag im 8. Sinfoniekonzert ein Werk von Aulis Sallinen vor, das sich in vergleichsweise gemäßigten Zonen bewegte. Dimitri Schostakowitschs erstes Cellokonzert und Ludwig van Beethovens fünfte Sinfonie in einer ungewöhnlichen Version rundeten das begeistert aufgenommene Konzert ab. Unter der Leitung von Michael Sanderling gab der grandiose Cellist Wolfgang Emanuel Schmidt sein Debut im sehr gut gefüllten Nikolaisaal.

Was nach Jean Sibelius in der symphonischen Musik Finnlands vorkommt, ist kaum bekannt. Umso verdienstvoller also, dass die Kammerakademie Aulis Sallinen präsentierte. Der 1935 geborene Komponist schrieb neben sechs Opern zahlreiche Orchesterwerke. Seine Kammermusik Nr. 3 für Violoncello und Streichorchester bezieht sich auf den ewigen Verführer Don Juan und den Ritter von der traurigen Gestalt Don Quijote. Sallinens Komposition nähert sich diesen Figuren aus der spanischen Literatur, die ins westliche Kulturgut eingegangen sind, spielerisch-tänzerisch in Form einer modernen Suite. Foxtrott, Tango, Jazz klingen auf, verbunden von überraschenden musikalischen Einfällen. Mal springen die Streicher mit den Bogen so schnell über die Saiten, dass man meint, spanische Gitarren zu hören, mal klingen sie von ferne, verschleiert und präzis zugleich wie ein Tanzorchester auf einer Schelllackplatte. Das Cello tritt mit trockenem Ton und sehr energisch auf, spielt auch mal in einer Art von irrwitziger Spiegelung mit sich selbst, baggert die erste Violine (Peter Rainer) an, die schnell die Führung übernimmt, ergeht sich in längeren Passagen voll einsamer Gedanken. Ein rasantes Presto voll schräger Klänge und schneller Läufe beendet die heitere Rhapsodie mit einem Hüpfer, beiläufig, schwerelos.

Von ganz anderem Kaliber sind die meisten Orchesterwerke von Dimitri Schostakowitsch, auch das Cellokonzert Nr. 1 zählt zu den musikalischen Schwerblütern. Wie oft bei diesem Komponisten überwiegt auch hier im schnellen Satz das rhythmische Element. Holzbläser und Celli spielen erregt staccato, grelle Piccolo-Flöten-Läufe treiben das Geschehen voran. Der zweite Satz öffnet mit einem watteweichen Wolkenhimmel der Streicher, aus dem ein leises Hornsignal ruft. Erst nach einem melancholischen Trio mit Violen und Celli entwickelt das Solocello eigenes Profil.

Wolfgang Emanuel Schmidt spielt elegisch, aber nicht süßlich, introvertiert und zugleich klangvoll, ohne Effekthascherei, was nicht zuletzt bei seinem prächtigen Instrument und seiner stupenden Technik so leicht wäre. Über exotische Flageoletttöne durchläuft er in der Kadenz einen Weg ins Innere, begibt sich auf eine seriöse Suche voll erlesenster Cellofigurationen. Leider geht diese Meditation, wie so oft bei Schostakowitsch, in ein grelles, eckig, zackig klingendes Gemenge aller Instrumente über. Blitzartig dann der Schluss, der alles offen lässt. Riesiger Applaus für Wolfgang Emanuel Schmidt, der sich mit der Sarabande aus Johann Sebastian Bachs dritter Suite bedankte.

Harmonische Geschlossenheit will Beethoven in der Fünften Sinfonie vermitteln, die wie kaum ein Werk auf Klarheit der Form und musikalischer Logik gründet. Zwar zieht sie bis heute, doch ist fraglich, ob man dieses allzu oft gebrauchte und auch missbrauchte Stück überhaupt noch spielen kann. Aber wer fragt und wagt, kann auch gewinnen. Die Kammerakademie setzte auf Originalinstrumente bei den Blechbläsern, ein Wagnis. So klingen die stürmischen Dreiklänge weniger brillant als kompakt und akkordisch auch mal leicht schräg. Das bürstet die altbekannte Faktur mächtig gegen den Strich. Im Verein mit der zurückhaltenden, verschatteten und unheroischen Spielweise ergab das eine moderne, sehr gut hörbare Beethoven-Interpretation.

Babette Kaiserkern

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