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Kultur: Der Weg ist das Ziel

Musizieren mit Profis: Kammerakademie Potsdam musizierte mit Ensembles der Städtischen Musikschule

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Musizieren mit Profis: Kammerakademie Potsdam musizierte mit Ensembles der Städtischen Musikschule „Passus“ murmelt das Publikum. Das Orchester spielt, der Chor singt, das Auditorium bemüht sich. „Mehr Spannung“, ruft der Dirigent in den Saal. Jürgen Bruns, der leidenschaftliche Musikerklärer, macht ernst mit dem Motto des Nachmittags: „Musizieren mit Profis". Alle spielen mit. Die Zuhörer dürfen ihre Erfahrungen machen. Die Jugendlichen auf der Bühne klingen eindrucksvoller. Schließlich haben sie sich Wochen lang auf die Aufführung von Charles Gounods „Cäcilien-Messe“ vorbereitet. Vor einem Jahr hat die Kammerakademie das Projekt ins Leben gerufen. Musikalische Laien dürfen mit den Berufsmusikern proben, und am Ende stehen alle gemeinsam auf der Bühne. Normalerweise kann sich jeder bewerben. Das ist diesmal anders. Die Akademisten haben den gemischten Chor und das Jugendsinfonieorchester der Städtischen Musikschule „Johann Sebastian Bach“ unter ihre Fittiche genommen. Jürgen Bruns erzählt von der „Offenheit und Begeisterung beim gemeinsamen Spielen“. Auf der Bühne im Nikolaisaal sitzen weit mehr Jugendliche als Profis. Die Hornistenriege ist mit acht Spielern überaus stattlich besetzt. Die dunklen Klangregionen wirken etwas unterbelichtet. Drei Kontrabässe müssen sich gegen Dutzende von Geigen durchsetzen. Auch im Chor fehlen tiefe Stimmen. Jürgen Bruns sorgt für Balance, so gut es geht. Aber es geht nicht um klangliche Details an diesem Nachmittag. Auch nicht um perfekte Homogenität. Der Weg ist das Ziel. Die Probenphase muss anregend und aufregend gewesen sein. Man spürt beim Abschlusskonzert, wie viel Engagement, Lebendigkeit und Konzentration jeder einzelne Beteiligte investiert hat. Ganz in Gounods Sinn ist die Aufführung von menschlicher Wärme geprägt. Verinnerlicht klingt das Kyrie, in dem das Geigenmotiv wie auf einer Himmelsleiter aufsteigt. Feierlich und dramatisch leiten die Blechbläser das Credo ein. Der von Marion Kuchenbecker einstudierte Musikschulchor findet viele Facetten zwischen dem strahlenden Gloria, der Lebensfreude der Auferstehung und der Sphäre des Entrückten im Sanctus. Die Sänger interpretieren besonders lebendig, sie haben aber auch einen Erfahrungsvorsprung: Ausschnitte aus der Messe haben sie schon während einer Chorreise aufgeführt. Die Cäcilien-Messe steht nicht oft auf den Konzertprogrammen. Nicht jeder weiß, dass der Franzose ursprünglich Priester und Kirchenkomponist werden wollte. Auch nach seinen großen Erfolgen als Opernkomponist hat er immer wieder Messen, Oratorien und andere geistliche Werke geschrieben. Vor allem der Chorklang übte eine starke Anziehung auf ihn aus. Die Messe zu Ehren der Schutzheiligen der Musik entstand 1855, als sich der Komponist für einige Zeit aus dem Pariser Großstadtleben zurückgezogen hatte. Sie strahlt mit ihren schlichten, klangvollen Melodien und suggestiven Begleitformeln große innere Ruhe und Kraft aus. Für das Projekt war das Werk eine erstklassige Wahl. Es klingt wirkungsvoll, ohne die Laienmusiker zu überfordern. Aus dem Musikschul-Umfeld stammen auch die Gesangssolisten. Nervöse Unsicherheit prägt den Vortrag der jungen Sopranistin Juliane Herrmann, die an der Berliner Eisler-Hochschule studiert. Viel souveräner reizen Michael Goldammer und vor allem der Tenor Norbert Leppin ihre Partien aus. In kleiner, reiner Profibesetzung setzte sich die Kammerakademie für ein noch weniger bekanntes Werk ein: die „Suite baroque" von Alexandre Tansman. Der polnische Komponist, der den größten Teil seines Lebens in Frankreich und den USA verbracht hat, hat das herrlich funkelnde, farbkräftige Werk 1958 geschrieben. Bruns und das Kammerorchester stoßen die Buntglasfenster in die Vergangenheit schwungvoll auf. Sonja Lenz

Sonja Lenz

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