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Kultur: Der Zensur nie unterlegen

Bettina Gaus las aus „Frontberichte“ in der Stadt- und Landesbibliothek

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Bettina Gaus las aus „Frontberichte“ in der Stadt- und Landesbibliothek 45 Minuten wolle Bettina Gaus in der Stadt- und Landesbibliothek aus ihrem Buch „Frontberichte“ (Campus Verlag) lesen, um Zeit für ein Gespräch zu haben. Aber es fiele ihr schwer auszuwählen. Bei einem Sachbericht könne man sich von keinem Komma trennen, sagt die politische Korrespondentin der TAZ. Von 1993 bis 1999 wäre sie in 20 afrikanischen Ländern gewesen. Von den Brennpunkten der Bürgerkriege berichtend. Der erste Bericht erzählt von einem  Auftrag der Bundeswehr in Somalia, wo sie die Stabilität der Sicherheitslage  prüfen sollte. Nach Belet Huen wären mit ihr Journalisten aus verschiedenen europäischen Ländern gekommen. Hochprofessionell. Aus der sicheren Distanz ihres Informationsvorlaufs beobachtet sie die Wahrnehmung ihrer Kollegen. Leicht ironisch. Sieht auf dem Markt in Belet Huen und im Krankenhaus, wie die Kollegen mit den besten Absichten in die Wahrnehmungsfallen tappen. Alle Beobachtungen als situationstypisch bewerten, die doch mindestens landestypisch, wenn nicht kontinenttypisch sind. Obwohl sie Fragen stellen. Aber auch die richtigen Fragen benötigen ein profundes Wissen. Schnell mündeten die Erkenntnisse in die Haltungen der Auftraggeber. Immer wäre das Berichten auch eine Frage der Ökonomie und der Zeit. Und die wäre gerade an Kriegsschauplätzen rar. Am Beispiel ihres Aufenthaltes während des Bürgerkrieges in Ruanda beschreibt Bettina Gaus, wie Journalisten die notwendige Distanz verlören, wenn sie im Auftrag einer Kriegspartei unterwegs seien. Schnell hoffe der berichtende Journalist, dass die Partei, der er sich angeschlossen habe, so schnell wie möglich siege, um  in Sicherheit zu gelangen. Jeder Kriegsschauplatz erzeuge unweigerlich starke Emotionen, die nur durch ein hohes Maß an Verantwortung und Disziplin gesteuert werden könnten. Besonders angesichts der Grausamkeit in Ruanda, zeigte sich, dass Journalisten auch sprachlos werden könnten. Dass Dinge unbeschreibbar würden.  Damals fand ein Missionar die treffendsten Worte: in der Hölle gäbe es keine Teufel mehr, sie wären alle in Ruanda. Immer wieder fällt das Stichwort „eingebetteter Journalismus“: „Journalisten gelten nicht als Chronisten, sondern werden als Partei wahrgenommen. Zu Recht. Wir sind Partei. Alle. Das bedeutet nicht, dass wir uns den Vorwurf gefallen lassen müssen, Tatsachen absichtlich zu verdrehen oder bewusst zu fälschen. Wir sind dort Partei, wo wir uns der Tatsache nicht bewusst sind, weil wir es nicht merken, wie unsere Weltsicht in die Beurteilung einfließt. Objektivität ist eine Chimäre, denn das Sein bestimmt das Bewusstsein.“ – ein Essay im klassischen Sinne. Ein abwägender Versuch die Schwierigkeiten des politischen Journalismus zu beschreiben. Kritisch sich selbst einbeziehend. Unsystematisch und aspekthaft. Im Gespräch wird die Frage nach der Zensur gestellt. Sie habe nie der Zensur unterlegen. Allerdings habe sie immer wieder beobachtet, dass Dolmetscher  im Sinne ihrer Kriegsparteien versuchten, zu manipulieren. Ob es für eine Frau nicht ungewöhnlich sei, Kriegsberichterstatterin zu sein? Bis 1945 wäre das ungewöhnlich gewesen. Augenblicklich gäbe es etwa 30 Prozent weiblicher Kollegen. Der Unterschied zeige sich an zwei Punkten deutlich: Frauen erlägen nicht der Faszination  neuer Kriegsgeräte. Wenn über Plünderungen berichtet wird, befragen Journalistinnen die Bauern. Journalisten die Generäle. Das könne sie jetzt so freimütig sagen, da sie sich sicher sei, keinen männliche Kollegen unter den Zuhörern zu wissen. Schließt sie augenzwinkernd.     Barbara Wiesener 

Barbara Wiesener 

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