Kultur: Des grünen Fürsten Vita Landschaftsgärtnerische Hymnen „Im Garten vorgelesen“
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Von Peter Buske Ein Anwesen, umschlossen von hohen Mauern und massiven Toren. Wie mag es dahinter aussehen? Das Namensschild „G. Joop“ verweist auf honorige Hausbewohner. Der Neugierde auf sie sind keinerlei Grenzen gesetzt. Charlotte und Gerhard Joop, die Eltern des Stardesigners Wolfgang J., wissen zu wohnen und zu leben – und sich abzuschotten vor allzu tiefem Einblick in ihre Privatsphäre. Am Freitagabend haben sie jedoch ihr Refugium für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht – für eine weitere Musik-Literatur-Preziose innerhalb der Urania-Reine „Im Garten vorgelesen“. Im Untertitel apostrophiert sie sich als Potsdamer Arkadien. Durchaus zutreffend, wenn man die Eindrücke des Abends in Bornstedt Revue passieren lässt. Über zweihundert Zuhörer sind erschienen, um die musikalisch-literarische Soiree in der Natur zu genießen. Sie sitzen auf bunt zusammengesuchtem Gestühl in einem offenen und luftigen, von einer mächtigen Linde überkrönten Geviert, das seine einstigen Bestimmung als großer Bauernhof nicht leugnen kann und will. Zur Straßenseite hin liegt jenes Wohnhaus, in dem die Landschaftsgestalterin Ursula Ebert, Schwester von Charlotte Joop, bis zu ihrem Tod im vorigen Jahr lebte und arbeitete. Gegenüber davon befindet sich das edel ausstaffierte Landhaus der Joops, errichtet auf dem Grundriss des ehemaligen Kuhstalls. Wie auf einem Teppich geht es sich auf saftig-grünem Rasen, der selbst die Wege zwischen bunten Blumenrabatten bewächst. Im hinteren Teil des parkähnlich gestalteten Gehöfts umranken Efeu und russischer Wein eine Pergola, blühen riesige Hortensienbüsche, lenken Nadelbäume als Solitäre die Blicke auf sich. Zu Tierfiguren beschnittene Gehölze wechseln sich mit Obstbäumen ab, das reichblühende Dahlienbeet wetteifert mit langsam errötenden Tomaten. Ein idyllischer großer Teich ist mit Schilfrand und einem kleinen Bootshäuschen bestanden. Steinerne Putten lugen aus diversen Ecken. An der Anlage des sorgsam gepflegten Landschaftsgartens hätte „Der grüne Fürst“ sicherlich seine helle Freude gehabt. Dahinter verbirgt sich kein anderer als Hermann Ludwig Heinrich Fürst von Pückler-Muskau (1785-1871), dessen turbulentes Leben die Biografie von Heinz Ohff nachzeichnet. Aus ihr liest Klaus Büstrin Auszüge, die Lebensstationen des späteren Reiseschriftstellers und Gartenarchitekten auf oftmals humorvolle, bisweilen sogar ironische Art beschreiben. Potsdams anerkannter Vorleser findet dafür den passenden Tonfall. Dass sich dessen melodisch gestaltendes Timbre jedoch nicht wie gewohnt verbreiten kann, verhindert leider die ältliche Tontechnik. Trotz alledem bemüht sich Klaus Büstrin um Unverwechselbarkeit und Lockerheit, damit die Diskrepanz zwischen Stimmoriginal und dem, was die Lautsprecher davon leicht verfremdet in das Rund schicken, möglichst klein bleibt. Er wechselt, wenn es um die Verdeutlichung Pücklerscher Originalzitate geht, in den hochnäsigen Tonfall des Adligen. Humorvoll kostet er die Berichte vom herzlosen Pietismus der Herrnhuter Erziehungsanstalt bei Bautzen aus, in welcher der Junggraf aufwächst. Mit ironischen Zwischentönen reich versehen, erzählt uns Klaus Büstrin von Pücklers Studium der Jurisprudenz in Leipzig, vom Eindruck, den Goethe mit seinem Landschaftsgarten an der Ilm auf ihn machte, von seinen diesbezüglichen Eindrücken während eines Englandaufenthaltes. Dass Pückler weder im Lausitzschen noch bei Reisen durch Nordafrika ein Frauenverächter war, davon vernehmen wir an diesem Abend ausführlich Kunde. Von seiner Gattin Lucie (Kosename „Schnucke“) lässt er sich 1826 im gegenseitigen Einverständnis scheiden, um durch eine glänzende Heirat in England seine zerrütteten Finanzen aufzubessern. Als der Plan scheitert, leben die Geschiedenen ohne erneute Vermählung weiter einträchtig zusammen. Auch Pücklers Ansichten kommen zu Wort. Etwa, dass ein Landschaftsgarten wie ein gotischer Dom sei und nie vollendet. Zuerst in Muskau, dann in Branitz setzt Pückler seine Absichten in landschaftsgärtnerische Meisterleistungen um. Auf letzterem Besitz stirbt er „schmerzlos, mit Grazie“, so der Biograf. Was erneut dem Holzbläsertrio der Brandenburger Symphoniker die Möglichkeit gibt, mit einem dazu passenden Adagio und einem sich anschließenden fröhlichen Kehraus aufzuwarten. Pastorale Klänge leiten indes den Abend ein, setzen im weiteren Verlauf dem Vorgelesenen und seinem Vortragenden entsprechende Atempausen. Dazu dienen vor allem drei Sätze aus Beethovens Trio für zwei Oboen und Englischhorn C-Dur op. 87. Dessen serenadenhaften und beschwingten Charakter treffen die Drei ebenso gelöst und von appolinischer Heiterkeit durchstrahlt wie das Cantabile aus dem Trio op. 20 des böhmischen Komponisten Johann Baptist Vanhal (1739-1813). Beifallsfreudig aufgenommen, klingt der Abend in angenehmer Plauderei, apfelessend und weintrinkend aus.
Peter Buske
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