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Kultur: Deutsch- türkische Frauenleben

Filmgespräch über „Ich gehe jetzt rein“

Stand:

Am Ende des Films „Ich geh jetzt rein“ stehen sie in einer Reihe und schauen stumm in die Kamera. Der Blick der fünf türkischen Frauen, die Aysun Bademsoy nun schon seit 13 Jahren in drei Dokumentationen begleitet, ist skeptisch. Wenig Hoffnung spiegelt sich in den Augen der Frauen, die der Deutschtürkin Bademsoy in den neunziger Jahren wegen ihres ungewöhnlichen Hobbys aufgefallen sind: Sie spielten Fußball. 1995 entstand die Dokumentation „Mädchen am Ball“ und 1997 „Nach dem Spiel“.

In ihrer aktuellen Dokumentation, in der Archivmaterial aus den älteren Filmen eingesetzt wird, sind die Mädchen junge Frauen um die 30, denen man ansieht, dass nicht alles so gelaufen ist, wie sie das wollten. Die Zwillinge sind verheiratet, haben blonde, lange Haare und jeweils zwei Kinder bekommen, sie sehen sich immer noch ähnlich. Auch die Männer der beiden gleichen sich. Diese sind neu in der Dokumentation und erhalten viel Platz. Zuhause auf dem Sofa oder am Tisch werden die modern wirkenden jungen Familien gezeigt, und die Männer sprechen auch darüber, ob sie ihren Töchtern erlauben würden, Fußball zu spielen: „Mir wäre lieber, sie würde einen anderen Sport machen“, sagt der Eine, da Männer über Fußball spielende Frauen eher lächeln. Und auch, dass er es nicht gerne sähe, wenn die Tochter mit einem Deutschen als Freund nach Hause käme. Frau Nerla zweifelt und lächelt. „Abwarten“, sagt sie, „es ist ja noch Zeit“. Sein Schwager, der seinen Glauben lebt, und anders als seine Eltern fastet und betet, sagt: „Auf der Arbeit, klar, da sind 80 Prozent Deutsche, aber Zuhause ist die Familie“. Und die ist türkisch. Das bekamen auch die anderen Frauen zu spüren, von denen nur eine dem Fußball treu geblieben ist und eine Mannschaft trainiert.

Die Gruppe hat sich zerschlagen, obwohl die Mädchen zehn Jahre zuvor sicher waren, dass diese Freundschaften halten würden. „Ich werde nicht wie eine Deutsche, sondern wie eine Türkin behandelt“, bringt die allein erziehende Mutter das Dilemma auf den Punkt. Sie gab dem Film den Titel. Da steht sie im Arbeitsamt, um einen Ein-Euro-Job zu bekommen und damit aus ihrer Depression herauszufinden. Eine weitere allein lebende Frau hat wohl Schlimmes durchgemacht, jetzt läuft sie Halbmarathon und hat sich von „ganz unten“ wieder hoch gerappelt. Was das „ganz unten“ war, drängt die Filmemacherin nicht aus ihrer Protagonistin heraus. Im Filmgespräch im Filmmuseum verteidigte sie diese Haltung: Es sei in der türkischen Kultur eben vieles tabuisierter, und darauf habe sie Rücksicht genommen. „Die Mädchen haben Sachen erlebt, für die sie sich schämen, Brüche, die sie nicht offen legen wollen“. Bademsoy, an der die 68er Revolte nicht spurlos vorüberging, lebt ganz anders als ihre zwanzig Jahre jüngeren Protagonistinnen. Aber sie wollte den konservativeren Frauen gleichwertig begegnen. Allerdings ist das nicht immer für den Zuschauer gut. Man fragt sich ständig, was die beiden schwer an ihrem Schicksal tragenden Frauen denn wirklich erlebt haben – und man kann sie fast nicht auseinander halten, weil keine Namen eingeblendet werden. Moderatorin Jeannette Eggert monierte diesen Umstand zu Recht, aber Bademsoy blieb bei ihrer Haltung. Wie eine ältere Schwester oder eine Freundin sei ihr Verhältnis zu den Frauen, und sie wolle sie auch schützen. Bildung sei ein Weg, der zu wenig von den Jüngeren gewählt wird. Dennoch dürfe man eigene, für richtig erachtete Lebensentwürfe nicht einfach auf andere übertragen. Interessant der Aspekt, dass sich die Mentalität der in der Türkei lebenden Türken rasant verändere, während die deutsche türkische Community auf ihren alten Standpunkten beharre. Lore Bardens

Zu sehen heute, 20 Uhr, Filmmusuem

Lore Bardens

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