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Kultur: Deutsche Still-Leben

Günther Hauschildt bis 6. November in der Galerie am Neuen Palais

Stand:

Günther Hauschildt bis 6. November in der Galerie am Neuen Palais Günther Hauschildt sitzt der Schalk im Nacken, die Spitzwegsche Malerei in der Hand und die Kunstgeschichte im Kopf. Der 1950 in Hamburg geborene Künstler spart aus seiner imaginären Welt alles Heutige, Moderne aus, aber er erfindet Kombinationen unterschiedlicher Welten, die manchmal zwar aussehen wie Spitzweg, aber dennoch komplett anders sind. Wenn in der „Hachmacherin“ ein Stück Zeitung neben dem Werbefrauenkopf aus der Abfalltüte lugt, dann sind das die aktuellsten Zeichen seines Universums, in dem kunterbunt Autos, Kopfsteinpflasterstraßen, Werbeschilder vom Beginn des 20. Jahrhunderts oder eben romantische Idyllen durcheinander wuseln und den Besucher der Galerie am Neuen Palais in eine eigenartige Stimmung versetzen. Es ist eine Mischung zwischen Retro-Melancholie und sinniger Ironie, derer sich Günther Hauschildt bedient. Zwar verspricht er uns, „es wird alles wieder gut“, aber wie soll es das werden, wenn in dem gleichnamigen Ölgemälde vor einem hypergroßen Gründerzeitfachwerkhaus ein Riesenkäfer mühsam den Rot-Kreuz-Karren über das holprige Pflaster zieht. Auf dem Karren hockt flügellahm das Symbol der Wirtschaftswunderära, ein blauer VW-Käfer, aus eigener Kraft kann der offensichtlich nicht mehr fahren. Überhaupt gibt es eine ganze Menge Bilder, in denen der Künstler dem aktuellen Stillstand ausgesprochen humoreske Züge gibt. So bleibt z.B. der „Kurzzug“, in der Größe eher einem Spielzeug gleichend, keuchend vor der Baustelle stehen, die ihm zudem den Zugang zu den richtigen, großen S-Bahn-Gleisen verwehrt. Und auch die „Linie 8“ mit dem ehemals hoffnungsvollen „Vaillant“-Werbeschriftzug ist bereits von rankenden Blattpflanzen beherrscht, sie steht schon lange still und bald wird Mutter Natur sie mitsamt des akkurat, Stein für Stein gemalten Gründerzeitbahnhofs wieder heimgeholt haben ins Reich des Vergessens. In einer Winterlandschaft inszeniert er ein „innerdeutsches Treffen“, auf der rechten Seite des längs durch das Gemälde laufenden, vereisten Feldweges steht unbeweglich der schon bekannte blaue VW-Käfer, und links des Wegs bremst der rote Wartburg. Das Eis auf der Straße wohl viel zu gefährlich, es könnte brechen, also findet kein Treffen statt, und schon gar kein gemeinsames Geradeausfahren. Im „Aufbruch“ genannten Hinterhof schlängeln sich aus Mülltonnen Miniballone in die stickige Luft, immerhin, eine Bewegung nach oben aus dem Dreck und ein kleines, stinkendes Fünkchen Hoffnung. Vielleicht, weil im „fromage au loup“ auf einem S-Bahn-Gleis der Rotkäppchen-Camembert stückweise aus dem Riesenplakat tropft, das der Wolf so hingebungsvoll anheult? Schaut man nur ein wenig genauer auf diese deutschen Still-Leben, so erkennt man darin neben all’ den Mythen eine scharfsinnige und hintergründige Analyse der aktuellen Situation, die temperamentvoll und im Stil älterer Meister daherkommt. So vernebelt sind wir schon, dass wir den Leuchtturm im „Lighthouse-Museum“ in ein weiteres Gebäude stecken, damit ja kein Licht mehr nach außen dringt. Doch Hauschildt kennt nicht nur die deutsche Romantik, sondern auch Hopper und Magritte, die ihm Anlass zur ironischen Spiegelung sind. Im „Hopper-Aquarium“ sitzen die Menschen aus dem bekanntesten Hopper-Gemälde brav an der Bar, die aber ist ebenfalls verschlossen, denn sie befindet sich in einem Großraumaquarium und die Fische versuchen, durch die Scheibe zu den Menschen zu dringen. Auch hier undurchdringliche Glaswände, eine Kommunikation findet nicht statt. Dafür aber kann der Besucher der Ausstellung mit den Bildern in einen Wettstreit des Wiedererkennens treten und sich an den launig-retrovertierten Erzählungen, die Hauschildt uns offenbart, durchaus kräftig erfreuen. Lore Bardens

Lore Bardens

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