zum Hauptinhalt

Kultur: Diätetisch bis edelkitschig

Eine „Schubertiade“ in der Friedenskirche Sanssouci

Stand:

Eine „Schubertiade“ in der Friedenskirche Sanssouci Um originelle, an historischen Aufführungen orientierten Programmzusammenstellungen herrscht bei Ud Joffe kein Mangel. Nach der Brahms''schen Offerte („Ein deutsches Requiem“) wiederentdeckte er zusammen mit dem Neuen Kammerorchester Potsdam in der Friedenskirche eine jener „Schubertiaden“ aus dem Wien der Metternich''schen Restriktionen, bei denen sich rebellische junge Künstler aller Couleur zu geselligen Abenden zusammenfinden. Dabei greift Franz Schubert in die Klaviertasten, spielt stundenlang die schönsten Walzer, die den Gesellschaftsabenden die Tanzgrundlage bieten. An anderen Zusammenkünften begleitet er den Bariton Vogl, der dessen herrliche Lieder singt. In lichterhellten Salons, wie man auf diesbezüglichen Gemälden und Aquarellen deutlich sehen kann. Was mag den Veranstalter bewogen haben, den ersten Teil dieser Schubertiade in der abgedunkelten Friedenskirche sich abspielen zu lassen? Originär, wie es die Begrüßungsworte von Trägervereinsvorsitzenden Christian Seidel zum ersten „Schubertiade“-Teil suggerieren, ist solches Gehabe keineswegs. Das Orchester sitzt im Licht. Die im Dunkeln, das Publikum, sieht es nicht. Musik als Andacht oder zum Einschlafen? Letzterer Eindruck stellt sich bei manchen der Sechs Deutschen Tänze D 820 ein, die von Anton Webern anno 1932 aus dem Klavierdasein erlöst und für Orchester gesetzt sind. Was daran soll „originär“ sein? Die gefälligen Stücke, betont schlank und leichtfüßig musiziert, wirken weit gehend spannungsarm und wenig gesellig, ja geradezu langweilig. Manche Saitenstreicharbeiten der ersten Geigen hören sich spillrig bis spröde an. Der wenig befriedigende Eindruck begründet sich auch an der Haltung der Musiker, Kapriziöses sehr artifiziell auszubreiten. Dagegen gelingt ihnen das Gravitätische im dritten „Deutschen“ überzeugend zu tanzen. Originell Joffes Absicht, bekannte klavierbegleitete Lieder einmal in der Orchesterbearbeitung vorzustellen. Tonsetzer von Britten über Brahms und Liszt bis Offenbach, Reger und Webern haben sich an diesen Verwandlungen beteiligt. Ob sie sich dabei an Schuberts eigenhändiger Orchestrierung der „Rosamunde“-Romanze orientiert haben? Sie setzt dem Liederblock seinen Auftakt, der von der stimmschön auftrumpfenden, ausgeglichen singenden, mit satter Tiefe aufwartenden und dramatisch gestaltenden Mezzosopranistin Maria Riccarda Wesseling geprägt wird. In ein schwarzes Loch hineinsingend, kann sie zum Publikum notgedrungen keinen Kontakt herstellen – was beim Liedgesang so ungemein wichtig ist. Trotz allen Einsatzes bleibt ihr eine differenzierende Gestaltung größtenteils versagt. Was an den plakativen Bearbeitungen liegt, durch die das Individuelle und Intime der sublimierten Gedanken und Empfindungen gleichsam verkollektiviert werden. Dramatisch aufgeblähter Seelenbibber bestimmt die Reger-Varianten des „Erlkönig“ und „Prometheus“, Edelkitsch die Brittensche Edelfischvariante „Die Forelle“ und das Offenbachsche „Ständchen“. Bei Licht besehen und gehört: auch bei der blutleeren, vibratoarmen, spröden Wiedergabe der B-Dur-Sinfonie D 485 bleiben manche Wünsche offen. Die blanke (Klang-)Sahne ist''s nicht, eher ein diätetischer Molke-Joghurtmix. Eleganz und Zwischenfarben fehlen, Lieblichkeit spreizt sich einstudiert. Dennoch fällt der „Schubertiade“ der charmanteste Beifall zu.Peter Buske

Peter Buske

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })