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Kultur: Die Abgründe im Familienalltäglichen

Ralf G. Krolkiewicz las an seinem ersten Tag als freier Autor im Literaturladen

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Ralf G. Krolkiewicz las an seinem ersten Tag als freier Autor im Literaturladen Ralf-Günter Krolkiewicz scheint kein Mann zu sein, der lange und mit Wehmut zurückblickt. Nach sieben Jahren endete am Dienstag seine Intendantenzeit am Hans-Otto-Theater. Und viel Unausgesprochenes, das trotzdem schwer in der Luft liegt, zeigt deutlich, dass dieser Abschied kein einvernehmlicher war. Doch das war. Krolkiewicz interessiert mehr der Neuanfang. Der Mittwoch, sein erster Tag als freier Autor, ein Neustart ganz nach seinem Geschmack. Am Vormittag mit dem Traktor sein Flecken Land in Bredow bei Nauen beackert, am Abend im Literaturladen von Carsten Wist, um aus seinen Theaterstücken zu lesen. Körperliche und geistige Arbeit, eine Mischung die stimmt. Krolkiewicz“ Neuanfang am Mittwoch war auch ein Neuanfang für Carsten Wist. „Beginn der nächsten Lesesaison“, wie es Wist vor den über 20 Gästen nannte. Eine Lesesaison, die wieder mit einigen Höhepunkten aufwarten werde, soviel sei schon jetzt verraten. Doch dieser Mittwoch galt erst einmal Krolkiewicz“ Zukunft. Aus drei Stücken las er an diesem Abend. Aus „Bratwursthimmel“, eine „hässliche Sozialtragödie in sieben Bildern“, unterstützt durch die Schauspielerin Gertraud Kreißig. Dann aus „Taubentraum“ und aus dem preisgekrönten „Sonst is alles wie immer“. Krolkiewicz hat sich schreibend der Familie zugewandt, dieser ewigen Keimzelle für Tragödien und Komödien. Der Hass auf die Welt, auf die Verhältnisse und auf sich selbst, der sich schnell, hartnäckig und unerbittlich auf die Nächsten übertragt, dessen kleine Schwächen man so gut kennt, das treibt Krolkiewicz“ faszinierende, manchmal so bekannten, dann wieder so fremden Figuren um. Mit Gespür für die Abgründe im Familienalltäglichen, den feinen Terror im Zwischenmenschlichen treibt er seine Stücke voran, ohne dabei die Charaktere vorzuführen. Krolkiewicz versteht es sprachlich zu fesseln. Am stärksten an diesem Abend, neben „Sonst is alles wie immer“, mit „Taubentraum“, dem Monolog einer alten Frau, deren Mann seit zehn Jahren schweigt, der verstummt ist und so der längst fälligen Auseinandersetzung mit seinem Leben, seinen Einstellungen verweigert, und an dessen selbst auferlegten Sprachverlust seine Frau fast verzweifeln will. Es brauchte einige Sekunden, nachdem Krolkiewicz geendet hatte, bis nach dieser schonungslosen Selbstoffenbarung einer sonst stillen Frau der erste Applaus folgte. Auf seine Erfahrungen als Theaterautor angesprochen, erzählte Krolkiewicz, dass er im Drei Masken und im Theater Stück Verlag herausgebe. Als er vor zwei Jahren wieder begann, ernsthaft zu schreiben, da sei es regelrecht aus ihm „herausgesprudelt“. Nach „Hafthaus“, der Aufarbeitung seiner einjährigen Inhaftierung durch die Stasi 1984/85, die für ihn jenseits von Literatur liege, da er hier wahre Erlebnisse verarbeitet habe, könne er sich nun dem „Stil“ widmen. „Denn Stil heißt abheben.“ Sich schreibend, konstruierend frei bewegend, losgelöst von jeglicher Fixierung auf andere Autoren, die nur beschränke, so arbeitet Krolkiewicz an seinen Stücken. Die Theaterverlage haben schnell reagiert. Schon nach wenigen Wochen habe er die gedruckten Ausgaben im Briefkasten. Nun hofft er, auch gespielt zu werden. Doch die Planungen für die aktuelle Saison stehen schon länger, hier muss er noch etwas Zeit ziehen lassen. Ralf-Günter Krolkiewicz hat als freier Theaterautor gerade erst angefangen. Doch was die Zukunft angeht, da gibt er sich vor allem optimistisch. Dirk Becker

Dirk Becker

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