Kultur: Die Ahnen im Backherd und andere Komparsen Diego Bianconi und Bodo Rott in Galerie Töplitz
Ein Friedhof bei Hetzles am Hang, kaltes Licht spiegelt sich auf den steinernen Zargen. Die Toten sind tot, das Licht ist die Gegenwart.
Stand:
Ein Friedhof bei Hetzles am Hang, kaltes Licht spiegelt sich auf den steinernen Zargen. Die Toten sind tot, das Licht ist die Gegenwart. Eine Überlandleitung weit hinten signalisiert in dieser klassischen Tempera-Arbeit „das Mitteilende im Kabel“. Oder: Ein kauerndes Kind malt seinen eigenen Schatten an eine Wand. Was da entsteht, muss jeden Pädagogen erschrecken – ein grinsendes Gespenst nur. Zwei Bilder, zwei Maler von außerordentlicher Qualität in der Töplitzer Galerie, die ihre umständlich „Öl /Aquarell/Tempera – Bilder und Grafik" benamste Ausstellung am Wochenende eröffnete. Der Südschweizer Diego Bianconi und Bodo Rott aus Ingolstadt kennen sich schon länger, Töplitz ist ihre erste Gemeinschafts-Ausstellung. Ein Glücksfall für die hiesige Kunstwelt, denn so wie Bianconi erst aus dem räumlichen Abstand Nahes und Eigenes findet, könnte ihre Ästhetik auch manchen Eingeborenen beflügeln. Beide sind ganz vorzügliche Handwerker, beide haben eine ganz eigene Sicht auf die Welt – und sind in ihrer Bescheidenheit auch gerne bereit, Auskunft zu geben über Maler und Werk. Zudem gibt es in dieser wunderbar schlichten Galerie kein einziges Bild, welches den Betrachter nicht zu fesseln und zu „überzeugen“ wüsste. Was wollte man mehr!
Die Liebe und die Kunst hat Diego Bianconi 1988 zwar nach Deutschland gebracht, in den Norden, zum anderen Licht, aber Deutsch sei seine Heimatsprache doch nicht, sagte er. Seine Bilder meinen die Heimat, weit unten, am Lago Maggiore. Dort hat er eine schlichte „Kurve“ radiert, mit Blick auf den Grenzberg zu Italien. Hüben und drüben, Fernes und Nahes: „Auch ein Buddha muss mal aus dem Paradies!“ Der 1957 geborene Künstler hat Goethesche Qualitäten: Die Welt der Erscheinungen ist ihm oft Gleichnis, das Große im Kleinen entdecken, ihm Pflicht. Die bunte Stadtidylle „Wisenthau“ mit märchenhaftem Nachthimmel erzählt nur dem Eingeweihten, dass die Nazis hier Kunstschätze lagerten.
Die „Schöllenberger Hopfenstangen“ am Hang bedeuten für Bianconi, „dass es bergab geht“, „Schwarze und andere Tropfen“ zeigen den Kreislauf der Maltusche in einer Küche, wobei eine Steckdose das „Kraftzentrum“ symbolisiert, freilich von Künstlerhand kontrolliert. Die Kürbisflasche im Backherd „sind meine Vorfahren“. Schaue, wem Augen gegeben! Große, tiefsinnige Kompositionen also, brillante Technik, überraschende Perspektivwechsel. „Wer etwas sieht, der sieht, wer nicht, der nicht“, meint der Maler lakonisch. Das düster in Holz geschnitzte Selbstbildnis ist schon heute ein Klassiker.
Ein bisschen surreal, aber sehr gegenwärtig geht es auch in den „Figurenbildern“ von Bodo Rott zu. Er aquarelliert vorzügliche Sujets mit raffinierten Verfremdungseffekten, oft in einem farbintensiv-expressiven Stil: Madame gießt Kaffee ein, aber es fehlt der Kopf, zwei Kutten, aber die dazugehörenden Hirne stecken verkehrt herum drin – „mal verschwinden die Häupter beim Malen, manchmal kommen sie auch zurück“. Wie wichtig ist der Kopf, wie wichtig der leere Anzug? Rott, 1971 geboren, hält es auch, Peter Schlemihl gleich, mit den Schatten. Wer ist das Double, der Stellvertreter, wer das Original? Fehlen die Protagonisten, treten die Komparsen auf das Tapet. Schatten als „Idee einer Illusion“, dazu noch „im Gegensinn eingesetzt“: So gibt es in „Schatten“ gar keinen! Zwiespältig ist diese Bildwelt – wie im Leben ja auch.
Beide sind großartige Bild-Künstler, bildende Künstler im Sinn dieses Wortes, man wird mit dem Schauen und Nach-Denken gar nicht recht fertig. Hier ist alles eingelöst, Fläche und Tiefe, Farbe und Form, Sinn und Hintersinn, Sehen und Tun. So soll es auch sein, Kunst kann vieles, wenn man sie „kann“. Ein starker Impuls, eine große Entdeckung, der man ganz viele Besucher wünscht.
Gerold Paul
Bis zum 17. Juni, Mo. bis Fr. 16 bis 18 Uhr, Sa. und So. 14 bis 18 Uhr.
Gerold Paul
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: