
© Filmmuseum
Kultur: Die Ästhetik des Peter Weiss
Symposium widmet sich dem schriftstellerischen Werk des Künstlers
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Peter Weiss gilt als Vorzeigeautor der 1968er, sein Schreiben als Inbegriff des linken Widerstandes im geteilten Deutschland. Wie die Ästhetik des Autors in den verschiedenen politischen Systemen wahrgenommen und politisch genutzt wurde, wie er sich an der Öffentlichkeit gerieben hat und welche Aktualität seine Prosa und dramatischen Werke heute besitzen, versucht ein Symposium zu klären, das die Universität Potsdam ab heute veranstaltet. Bis Samstag tagen im Potsdam Museum Literaturwissenschaftler unter dem Titel „Ermittlungen –100 Jahre Peter Weiss“.
Das Symposium ist Teil einer Vielzahl von Veranstaltungen in der Stadt anlässlich des Geburtstags des in Babelsberg geborenen Autors im November. Derzeit zeigt das Potsdam Museum eine Ausstellung zum bildnerischen Werk des Künstlers, das Filmmuseum eine Schau zu seinem kinematografischen Schaffen, das Hans Otto Theater wird am 6. November selbst mit einer Lesung an ihn erinnern. „Peter Weiss hat in der Stadt Potsdam eine besondere Präsenz verdient“, sagt Hans-Christian Stillmark, Professor am Institut für Künste und Medien, der das Symposium ausrichtet. Die Tagung richte sich deswegen auch an die breite Öffentlichkeit. Nicht nur Literaturwissenschaftler sollen dabei zu Wort kommen. In einem Vortrag am Freitagvormittag referiert etwa Denkmalpfleger Jörg Limberg über das Geburtshaus des Autors, der ehemalige Kulturchef der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“, Frank Starke, berichtet unter dem Titel „Vom Überläufer zum Verräter“ über Peter Weiss in den Akten der Staatssicherheit sowie Peter Kupke, Regisseur der Inszenierung der „Ermittlungen“ am Hans Otto Theater aus dem Jahre 1965, über seine Erfahrungen mit dem Autor.
Überhaupt die „Ermittlungen“: Das Stück, in dem Weiss, Sohn eines jüdischen Texilwarenhändlers, sich mit dem Frankfurter Auschwitz-Prozess auseinandersetzt, hatte 1965 an 14 Orten gleichzeitig Premiere, in Ost wie in West. Ebenfalls am Freitag, um 19 Uhr erinnert das Filmmuseum mit einem historischen Filmdokument, einem Fernsehmitschnitt der szenischen Lesung von Weiss’ Oratorium in der DDR-Volkskammer, an diese Zeit. Die Akademie der Künste in Ostberlin ließ damals einige der besten Schauspieler des Landes sowie prominente Antifaschisten lesen, unter ihnen Helene Weigel, Ernst Busch, Ekkehard Schall, Erwin Geschonneck, Werner Klemke Stephan Hermlin und Bruno Apitz. Die Musik schrieb Paul Dessau. Die Aufführung, so schrieb ein westdeutscher Kritiker, „war angelegt als eine antifaschistische Manifestation“, begeisterte dementsprechend wenig die Beobachter aus dem anderen Teil Deutschlands.
„Es gibt verschiedene Peter Weiss in Ost und West“, sagt Organisator Hans-Christian Stillmark, der eine Einführung am Abend geben wird. Die unterschiedliche Rezeption der „Ermittlungen“ wird dann auch Thema des Symposiums sein. Weiss sei ein Autor mit Brüchen in der Rezeption, so Stillmark, vor allem auch heutzutage. „Meinen Studenten sagt der Name sehr, sehr wenig.“ Die Tagung will denn auch neue, zeitgemäße Anschlüsse an den Autor der „Ästhetik des Widerstands“ suchen, einer Schrift, die zur Zeit seiner Entstehung für heftige ideologische Debatten sorgte.
Forscher aus Ungarn und Frankreich sind geladen, um die, wie Stillmark sagt, internationale Strahlkraft des Autors zum Ausdruck zu bringen. Sie werden sich am Samstag der Wirkung von Peter Weiss auf George Tabori und W.G. Sebald widmen. Mit einem Essay „Ein Ort für Peter Weiss“ wird sich der Schriftsteller Volker Braun – „ein Autor, der ohne Weiss undenkbar wäre“, so Stillmark, ebenfalls am Samstag an ihn erinnern. Ein Roundtable zur „Ästhetik des Widerstands“ solldas Symposium abschließen. G. Weirauch
Das vollständige Programm
des Symposiums
unter www.potsdam-museum.de
G. Weirauch
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