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Kultur: Die Bayreuther kommen

Verein ArchitraV eröffnete Ausstellung über ihren Beitrag zur Stadtgestaltung in Potsdam

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Verein ArchitraV eröffnete Ausstellung über ihren Beitrag zur Stadtgestaltung in Potsdam  Gontardsche Schönheit muss das große dreistöckige Holländerhaus Am Bassin 3 noch zurück gewinnen. Befundzettelchen an den Wänden, in den schwarzen Küchen oder an den Türen signalisieren aber, dass Sanierung und Restaurierung begonnen haben. Auch einen Nutzer soll der Eigentümer, der durch sein Engagement in der Russischen Kolonie bekannt gewordene Arzt Dr. Hermann A. Kremer, bereits gefunden haben. Er stellte die Baustelle jetzt für eine Ausstellung „Die Bayreuther in Potsdam“ zur Verfügung, die am Wochenende durch den Verein ArchitraV eröffnet wurde. Der Ort ist stimmig, denn Carl von Gontard gehörte zu den Architekten, Künstlern und Handwerkern, die ab 1763 aus Bayreuth nach Potsdam übersiedelt waren. In diesem Jahr starb dort Markgraf Friedrich, der die Residenzstadt auf Betreiben seiner Gemahlin Wilhelmine, Friedrichs des Großen Lieblingsschwester, prachtvoll ausbauen ließ, dadurch aber Schulden in astronomischer Höhe anhäufte. All“ die unter ihm beschäftigten Baukünstler wurden nach seinem Tode entlassen – viele fanden ein neues Wirkungsfeld in Potsdam, wo der König mit dem Bau des Neuen Palais begonnen hatte und der Innenstadt durch prachtvolle Bürgerhäuser Glanz verlieh. In diesem Zusammenhang entstand ab 1773 auch die Häuserzeile Am Bassin. ArchitraV-Vorsitzender Thomas Sander hätte es allerdings lieber gesehen, die Ausstellung wäre wie beabsichtigt im Brockschen Haus Am Kanal gezeigt worden. Das 1770 von Gontard entworfene und 1776 (nach anderen Quellen 1779) für den Glasschleifer Brockes errichtete Gebäude befindet sich in einem bedenklichen Stadium des Verfalls. In noch stärkerem Maße trifft dies auf die von Johann Christian Unger, ebenfalls ein Bayreuther, stammenden Bürgerhäuser Spornstraße 6 und Charlottenstraße 114/115 zu. Ziel von ArchitraV ist es, auf diesen verantwortungslosen Umgang mit dem Erbe hinzuweisen. Dass die Telekom als Eigentümer des Brockschen Hauses kein Interesse an der Ausstellung hatte und Sander in ihrer unüberschaubaren Bürokratie ins Leere laufen ließ, erscheint folgerichtig. Viel gewonnen hat das Großunternehmen dadurch nicht, denn die nun Am Bassin 3 gezeigten Bildtafeln verdeutlichen sehr klar sein Fehlverhalten. Gleichzeitig werden dort durch Prof. Dr. Martina Arbri betreute Arbeiten von Studenten der Potsdamer Fachhochschule vorgestellt, die Wege für die Rettung und neue Nutzung des Palais weisen. Die wieder hergestellte oder hinter dem Verfall zu ahnende architektonische Qualität der Werke der Bayreuther“ verdeutlichen Photographien von Friedemann Steinhausen. Die aus Bayreuth angereiste Kunsthistorikerin Dr. Angela Michel nannte „noch nicht geklärte Eigentumsverhältnisse, Versäumnisse der Eigentümer und fehlende Nutzung“ als Hauptgründe für den Verfall der genannten Baudenkmale. Sie eröffnete mit ihrem Vortrag Bayreuther Hofkünstler in Potsdam“ das Begleitprogramm zur Ausstellung. Stadtkonservator Andreas Kalesse sprach über „Bürgerliches Engagement in der Denkmalpflege“. Dabei würdigte er die Tätigkeit der 23 Vereine, die sich in Potsdam für die Erhaltung der Kulturgüter einsetzen, so von ARGUS, der in der Wendezeit weitere Abrisse von Baudenkmalen in der Innenstadt verhinderte, und der Studiengemeinschaft Sanssouci. Am Sonnabend wurde die Vortragsreihe mit Beiträgen von Prof. Dr. Martina Arbri zu den Rettungschancen für das Brocksche Palais und von Dr. Käthe Klappenbach fortgesetzt. Die Kustodin für historische Beleuchtungskörper in den Preußischen Schlössern und Gärten erhellte nicht nur den bedeutenden Beitrag des Glasschleifers Brockes zur Beleuchtung der Hohenzollernschlösser, sie brachte auch Stücke aus seiner Produktion zum Anfassen mit. In der Reihe folgen Vorträge zum Pantheon und seiner Rezeption in der Architekturgeschichte (Dr. Christian Tietze, 27.8., 19 Uhr), über den Potsdamer Stadtadel (Dr. Klaus Schulte, 28.8., 19 Uhr), über die Bildhauerkunst des Barock in Potsdam (Saskia Hüneke, 3.9., 19 Uhr) und über Georg Christian Unger (Christian Wendland, 3.9., 20.30 Uhr) mit anschließender Diskussion über die „Rekonstruktion von Baudenkmalen – Chance oder Politikum“. Diese Veranstaltungen finden im katholischen Pfarramt, Am Bassin 2, statt. Vor den Vorträgen wird ab 18 Uhr durch die Ausstellung geführt. Leider hat ArchitraV keine personellen Möglichkeiten gefunden, die sehenswerte Exposition auch die Woche über zu öffnen.Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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