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Höhepunkt im vergangenen Jahr bei den Havelländischen Musikfestspielen. Das war das ausverkaufte Konzert des Pianisten Nikolai Tokarev auf der Wasserbühne im Belvedere auf dem Pfingstberg bei einsetzendem Regen.

©  Förderverein Pfingstberg/SPSG

Kultur: „Die beste Art, Präsenz zu zeigen, ist das Konzert“

Frank Wasser über die Havelländischen Musikfestspiele in Potsdam und das Entdecken der Region

Stand:

Herr Wasser, mit den Havelländischen Musikfestspielen sind Sie seit dem vergangenen Jahr auch verstärkt in Potsdam zu erleben. Entdecken Sie erst jetzt Potsdam als interessanten Spielort?

Wir waren in den vergangenen zehn Jahren mit den Havelländischen Musikfestspielen immer auch in Potsdam präsent, das aber im kleinen Rahmen mit ein bis zwei Konzerten. Als ich mit den Musikfestspielen angefangen habe, bestand mein Ziel darin, erst einmal die Möglichkeiten im Havelland zu erkunden. Was gibt es dort überhaupt für Örtlichkeiten und mit wem kann ich zusammenarbeiten? Am Anfang fanden so viele der Konzerte in Kirchen statt. Dann kam ich in Gespräche mit den Besitzern der Schlösser in Ribbeck, Ziethen, Reckahn, Nennhausen und Bagow und wir entwickelten gemeinsam neue Ideen. So haben sich die Havelländischen Musikfestspiele immer weiter entwickelt und auch erweitert. Und mit den Jahren zählten auch immer mehr Potsdamer zu unseren Gästen. So kam ich zu dem Schluss, dass wir Potsdam und auch Berlin stärker in unsere Konzerte einbinden müssen.

Warum, wenn doch die Potsdamer zu Ihnen kommen?

Weil wir von unserem Publikum sehr oft zu hören bekamen, dass wir zu wenig präsent seien, uns zu wenig darstellen würden. Wir haben in den vergangenen Jahren immer Besucher aus Potsdam gehabt, aber wenn neue hinzukamen, hieß es oft: Wenn wir früher gewusst hätten, was Sie machen, dann wären wir schon viel eher gekommen. Und die beste Art, Präsenz zu zeigen, ist das Konzert.

Sechs Konzerte haben Sie im vergangenen Jahr in Potsdam angeboten, in diesem Jahr sind es vier. Können Sie schon etwas über die Resonanz bei den Potsdamern sagen?

Ja, wir haben allein im vergangenen Jahr an die 2000 Karten mehr verkauft. Das natürlich nicht allein in Potsdam, obwohl hier alle Konzerte ausverkauft waren. Aber durch unsere Präsenz in Potsdam sind viele auch auf unsere anderen Konzerte aufmerksam geworden. Hinzu kommt, dass wir ein sehr kommunikatives Festival sind. Meine Mitarbeiter und ich, wir sind keine Organisatoren, die nur im Hintergrund agieren und sonst nie zu sehen sind. Wir sprechen mit unserem Publikum. Unsere Gäste schreiben uns und wir antworten ihnen. Sie sagen uns, was ihnen gefallen hat, aber auch was sie gestört hat.

Was war für Sie der Anlass, dieses Festival zu gründen?

Einer der Grundgedanken des Festivals besteht darin, in Verbindung mit Konzerten die Region zu entdecken. Ich kenne viele Menschen, die hierhergekommen sind und danach gesagt haben: einmal und nie wieder. Ich bin Anfang der 90er-Jahre von Berlin in diese Region gekommen und war sofort fasziniert von der Schönheit. Diese zu zeigen, darum habe ich damals erste Konzerte im kleinen Rahmen organisiert, was gar nicht so einfach war. Denn wenn ein Konzert in einer Kirche stattfand und ich zum danebengelegenen Gasthaus gegangen bin und gefragt habe, ob hier nach dem Konzert noch offen sei, denn mancher möchte vielleicht noch einen Kaffee trinken, gab es schon heftige Reaktionen. Da kam es vor, das die Wirtsleute aus dem Fenster geschaut, auf die parkenden Autos gezeigt und gesagt haben: Die kommen doch alle aus Berlin, da schließ ich ab! Kaum war die Tür hinter mir zu, hörte ich, wie ganz bewusst und laut der Schlüssel umgedreht wurde. Ich bin sehr froh, dass sich das mittlerweile geändert hat.

Was an dem Programm der Havelländischen Musikfestspiele auffällt, es gibt kein Thema, keinen jährlichen Schwerpunkt, unter dem die Konzerte stehen. Ist das eine bewusste Entscheidung?

Ja, denn an vielen Festivals stört mich dieser zwanghafte Grundgedanke eines Themas, eines Motivs. Davon wollte ich mich ein wenig distanzieren, auch auf die Gefahr hin, dass mein Programm eine gewisse Beliebigkeit haben kann. Trotzdem habe ich in jedem Jahr hinter jedem Programm eine Idee, ein Motiv gehabt, die ich meinem Publikum näherbringen wollte, ohne didaktisch oder gar mit dem erhobenen Zeigefinger darauf hinweisen zu müssen.

Welche Idee steht hinter dem Programm in diesem Jahr?

In diesem Jahr ist das Thema wirklich nur schwer herauszulesen, aber mir geht es in diesem Programm auch um den Ersten und den Zweiten Weltkrieg. Der Beginn des Ersten Weltkriegs jährt sich in diesem Jahr zum hundertsten Mal. In Ribbeck wird an zwei Wochenenden im März und April ein Klavierfestival stattfinden, das musikalische Bezüge zu diesem Weltkrieg herstellt. Im Oktober wird Martin Münch an zwei Abenden die Sonaten von Alexander Skrjabin spielen, der 1915 gestorben ist. Hier ist mir aber besonders wichtig, die neue Denkweise des Komponierens aufzuzeigen. Auch Skrajbins Beschäftigung mit Schönberg und anderen.

Diese Bezüge zu den Kriegen werden sich aber nicht unbedingt jedem durch die Musik erschließen.

Dafür wird es bei einigen Konzerten kurze Einführungen geben. Und dann haben wir in diesem Jahr auch zum ersten Mal vertiefende Kamingespräche zu diesen Themen im Programm.

Was die Konzerte der Havelländischen Musikfestspiele betrifft, sind über die Jahre dem kammermusikalischen Format treu geblieben. Keine Lust auf Veränderung?

Nun, ich kann und will nicht verleugnen, woher ich komme. Als Pianist schätze ich die Kammermusik und arbeite mit Sängern, aber auch mit Orchestern zusammen. Und was ich auf meinen Konzerten in der Welt erlebe, das möchte ich auch in das Havelland bringen, um die Menschen daran teilhaben zu lassen. Das gern in einem ungewöhnlichen Format: So habe ich zum Beispiel schon einmal auf einem Künstlerhof bei Galm, hinter Rathenow, am Ende der Welt, das Wohltemperierte Klavier von Bach gespielt. Fünf Kilometer vor dem Künstlerhof fällt das Navigationsgerät aus. Die Gäste mussten dann auf gut Glück durch den Wald fahren. Aber das Konzert war ausverkauft. Die wussten, was sie da erwartet. Ein halbes Jahr vorher hatte ich das Wohltemperierte Klavier in der Toskana in einer Villa des Papstes Clemens VIII. gespielt. Die Musik aus diesem Saal der päpstlichen Villa in das Havelland zu bringen, das war mein Ziel.

Sie selbst werden in diesem Jahr auch wieder bei Konzerten zu erleben sein, unter anderem im Palmensaal im Neuen Garten mit Musik von Bach.

Ja, mit dem Cellisten Matias de Oliveira Pinto werde ich Gambensonaten von Bach spiele. Ich übe und übe schon jetzt.

Das Gespräch führte Dirk Becker

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