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Kultur: „Die Buben singen nicht“

Ein großes Problem ist der mangelhafte Musikunterricht

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Ein großes Problem ist der mangelhafte Musikunterricht Deutschlands Chöre sind in Not: Sie leiden unter „katastrophalem Männermangel“. So formuliert es der Direktor der Landesmusikakademie Nordrhein-Westfalen im westfälischen Heek, Ernst Leopold Schmid. „Die Buben singen nicht. Das Mittelalter hat weder Lust noch Erfahrung, und die älteren Herren sterben uns überall weg.“ Ersten gemischten Gesangsgemeinschaften sei bereits die Puste ausgegangen. „Andere proben nur noch, können aber bei einem Männeranteil von oftmals deutlich unter einem Drittel nichts mehr aufführen.“ Um der drohenden Stille vorzubeugen, haben die deutschen Musikverbände Maßnahmen eingeleitet, die an der Wurzel ansetzten. Diese Wurzel liegt nach Schmids Auffassung in Gesellschaft und Familie. „Die Nachkriegsgesellschaft hat das Musische dem weiblichen Geschlecht zugeordnet“, meint Schmid, „in den Familien wird nicht mehr gesungen.“ Die Eltern müssten deshalb erst selbst wieder singen lernen, um mit ihren Kindern singen zu können. Dafür will der Deutsche Sängerbund jetzt verstärkt in den Kindergärten werben und Aufbaugruppen für Eltern und Kinder gründen. Nach der Statistik des größten Dachverbandes mit Sitz in Köln gibt es bundesweit zur Zeit mehr als 22 000 aktive Chöre, darunter rund 7750 gemischte. Ein großes Problem bei der Nachwuchsrekrutierung sei der mangelhafte Musikunterricht: „Der Musikunterricht an Deutschlands Grundschulen fällt zu 80 Prozent aus“, bemängelt Schmid. „Und die wenigen verbleibenden Stunden werden zu 85 Prozent von fachfremden Lehrern gegeben.“ Diese benötigten dringend wenigstens eine Zusatzausbildung. Wie beim Lernen einer Fremdsprache oder eines Instruments sei die Zeit vor der Pubertät die wichtigste. „Wenn keine Grundlagen da sind, ist der Nachholbedarf so groß, dass die meisten rasch die Lust verlieren.“ Franz-Leo Matzerath, Lehrbeauftragter für Chor- und Orchesterleitung an der Universität Dortmund, führt den Mangel an Männerstimmen vor allem auf das größere musische Interesse von Mädchen zurück: „Mädchen sind im allgemeinen erheblich aufnahmebereiter und kulturinteressierter als Jungen.“ Auch Schmid hat die Erfahrung gemacht, dass deshalb Mädchen in der Pubertät schon musikalisch so viel „drauf“ hätten, dass sie beim Üben leichter durchhielten und weitermachten und dann oft bis ins hohe Alter durchsängen.Rolf Liffers

Rolf Liffers

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