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Von Erhart Hohenstein: Die Bücher des Königs

Spektakuläre Erwerbung: Schlösserstiftung übernimmt „Knoll-Bibliothek“ über Friedrich den Großen

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Sie kamen in 160 unauffälligen Kisten nach Potsdam, abgeschirmt vor der Öffentlichkeit. Eine Ankunft ohne viel Aufsehen, wie es bei Kostbarkeiten oft der Fall ist. Und auch wenn die Beteiligten sich in Schweigen hüllen, so viel ist klar: Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten hat die wahrscheinlich weltweit größte private Literatursammlung zu König Friedrich II. übernommen. Sie umfasst etwa 9000 Bücher und Schriften und wurde über Jahrzehnte von dem Bremer Universitätshistoriker Gerhard Knoll zusammengetragen. Zu den Kostbarkeiten gehören neben Ausgaben der Werke des Königs und einer umfangreichen Sammlung zur wissenschaftlichen Friedrich-Rezeption Schriften bis zurück ins 18. Jahrhundert. Darunter befinden sich Bücher, die der König mit eigenhändiger Widmung Freunden und Verwandten geschenkt hat.

Gerhard Knoll, der in Teltow aufgewachsen ist, gilt als fundierter Kenner der Epoche Friedrichs des Großen. Er ist durch zahlreiche Veröffentlichungen hervorgetreten. So hat er das „Verzeichniss sämmtlicher Ausgaben und Ubersetzungen der Werke Friedrichs des Großen, Königs von Preußen“ kommentiert und neu herausgegeben. Kritisch begleitet der Historiker die Edition „Friedrich der Große – Potsdamer Ausgabe“. Auch hat Knoll das von Friedrich 1772 geschriebene und nur wenigen Freunden des Königs zugänglich gemachte „Totengespräch zwischen Madame de Pompadour und der Jungfrau Maria“, eine satirische Abrechnung mit dem Christentum wiederentdeckt. Im Hans Otto Theater wurde das „Totengespräch“ vor einigen Jahren szenisch zur Aufführung gebracht. In Potsdam ist Knoll auch durch die Schrift „Die Russen in Sanssouci“ bekannt geworden, den Erinnerungen Eva von Heeringens an das Ende des Zweiten Weltkriegs.

Die Übergabe der Sammlung an die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten steht laut PNN-Informationen im Zusammenhang mit einer schweren Erkrankung von Gerhard Knoll. Offensichtlich möchte der 68-Jährige nicht, dass die wertvolle Bibliothek durch Einzelverkauf der Bestände in allen Winde zerstreut wird und dann für wissenschaftliche Zwecke kaum noch nutzbar wäre.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt verweigern sowohl die Generaldirektion der Stiftung als auch Knoll selbst eine Auskunft zu der Übernahme, deren Bedingungen noch nicht bis ins Letzte geklärt seien. Dabei geht es wohl um die Finanzierung des Ankaufs. Bisher wurde für solche Ankäufe, die sich meist auf Kunstwerke bezogen, mit Unterstützung des Landeskulturministeriums, aus Lottomitteln, von Stiftungen und Sponsoren stets eine Lösung gefunden. Dies dürfte aus diesen Quellen auch für die Knollsche Friedrich-Bibliothek möglich sein, deren wissenschaftlicher Wert weit über dem einzelner Gemälde, Möbel und kunstgewerblicher Gegenstände liegt. Dem Vernehmen nach sollen die Verhandlungen darüber bis Ende Juni abgeschlossen sein.

Vorerst sollen die 9000 Bände im Saal der Villa Liegnitz unterkommen, der derzeit noch umgebaut wird. Die notwendigen Bücherregale sind bereits in Auftrag gegeben worden. Ab August soll dann auf Voranmeldung eine Nutzung der Bibliothek für wissenschaftliche Zwecke ermöglicht werden. In dem nahe Grünes Gitter gelegenen Gebäude, das einst der Preußenprinz August Wilhelm bewohnte, wird die Sammlung nur provisorisch untergebracht. Bis 2015 ist auf dem ehemaligen Theatergelände an der Zimmerstraße ein Neubau für die Bibliothek vorgesehen.

Erhart Hohenstein

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