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Kultur: Die Clownerie Leben

Hardy Krüger im Nikolaisaal

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Hardy Krüger im Nikolaisaal Was soll man über Hardy Krüger berichten, das nicht schon bekannt wäre? Da wäre der Schauspieler von weit über 70 Filmen, der semmelblond und blitzblauäugig Anfang der 50er den Sunnyboy im deutschen Film gab. Weniger später floh er diesem Klischee und spielte erfolgreich neben James Stewart, Yul Brunner und John Wayne in Hollywoodproduktion. Da wäre der Weltenbummler, der 17 Jahre lang in Afrika am Fuße des Kilimandscharo lebte, fast die ganze Welt durchreiste und im Fernsehen erfolgreich als „Weltenbummler“ von seinen Erlebnissen berichtete. Und da wäre der Erzähler, der einen Roman und zahlreiche Erlebnisberichte veröffentlicht hat, die beweisen, dass er auch dieses Metier beherrscht. Alles schon bekannt. Auch das Hardy Krüger mit seinen 75 Lebensjahren wie der reinster Jungbrunnen wirkt. Aber wie ist das mit seiner Präsenz, wenn Hardy Krüger heute die Bühne betritt? Am Dienstag war Hardy Krüger mit seinem neuesten Buch „Szenen eines Clowns“ in den Nikolaisaal gekommen. Der Berliner Radiojournalist Jürgen Rummel eröffnete den Abend vor halbgefülltem Saal mit einem kurzen Gespräch. Und schon hier zeigte sich die Präsenz von Krüger, die im eigentlichen Sinne gar keine ist. Denn unprätentiös aber gleichzeitig raumfüllend, so erlebte man Hardy Krüger gut zwei Stunden lang. Ein zufriedener, in sich ruhender, fast schon zurückhaltender Mann. Prallvoll mit Anekdoten, die er mit ruhig und tiefer Stimme erzählte. Hardy Krüger ein Mann, dem die Welt nie nur ein Dorf wurde, in der es immer für ihn mehr zu entdecken gibt, je mehr er sie bereiste. Mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, viel über hier Leben, ihr Denken zu erfahren, das war und ist der Antrieb Krügers für seine zahlreichen Reisen. Dass er dabei als Schauspieler eine Art Vertrauensbonus erhielt, weil er für die Menschen, die ihn von der Leinwand her kannten, wie ein alter Bekannter war, erleichterte das Näherkommen erheblich. Aber vor allem die herzliche, ehrliche und unaufdringliche Art, mit der Hardy Krüger auch an diesem Abend dem Publikum gegenüber trat, wird es wohl gewesen sein, die ihm in aller Welt Türen und Tore öffnete. Drei Episoden aus „Szenen eines Clowns“ las er im Anschluss an das Gespräch. Szenen aus seinem Leben, das sich ihm, rückblickend, oft wie ein Clown präsentierte. Mal hämisch grinsend, mal mit Tränen im Schminkengesicht. Da besucht Hardy Krüger ein Stammlokal in Frankfurt und wird dort von einem neuen Kellner überschwänglich als „Horst Buchholz“ begrüßt. Zum Spaß der übrigen Gäste „klärt“ er nach einiger Zeit den Irrtum auf, in dem er seinen „richtigen“ Namen nennt: Karl-Heinz Böhm. Dann muss er in Afrika den Einheimischen erklären, warum die Deutschen ihre Hauptstadt durch eine Mauer trennten und scheitert. Wenig später steht er selbst vor dieser Mauer und versucht in den westlichen Teil der Stadt zu gelangen. Prachtvoll sächselnde Grenzer klären ihn darüber auf, dass er nur an einem bestimmten Grenzübergang in seinen Teil der Stadt gelangen könne. Und ein junger Hardy Krüger steht hilflos einer idiotischen, menschenverachtenden und entwürdigenden Bürokratie gegenüber, die noch heute sprachlos macht. Filmisch konstruiert, mit Gespür für Pointen und leichter Altersweisheit erzählt Krüger in „Szenen eines Clowns“ seine Geschichten. An diesem Abend im Nikolaisaal von ihm selbst gelesen, wirkten sie noch stärker. Dass dies vor allem mit der Ausstrahlung dieses Mannes zu tun hatte, die ihn noch heute auf jeder Bühne zum Mittelpunkt werden lässt, ist wahrscheinlich auch nicht neu. An diesem wundervollen Abend ändert es aber nichts. Dirk Becker

Dirk Becker

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