Kultur: Die Cornflakes des Dalai Lama
Das Filmfestival „Globians“ im zweiten Jahr
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Es wirkt schon irgendwie merkwürdig, wenn einer allein die ganze Welt in sein Filmboot holt. Einer, das ist Joachim Polzer, der letztes Jahr zum ersten Mal die internationale Filmszene dazu aufrief, sich an seinem globalisierungskritischen Festival „Globians“ zu beteiligen. Den Namen hat er gleich mal als Trade Mark registrieren lassen, denn es scheint, dass das Konzept, ein Filmfestival von den Teilnehmern selbst finanzieren zu lassen, aufgeht. Hier zählt jeder Tag, denn die Anmeldegebühr steigt von 15 auf 250 Dollar.
Wer zuerst kommt, zahlt wenig, lautet das Motto von Joachim Polzer. Das „Boot“ ist vom 13. bis zum 20. August wieder der Clubraum im Alten Rathaus. Ob der die Welt zu fassen vermag, wird sich dann erweisen. Aus 130 Einreichungen haben der findige Chef der „Polzer Media Group“ und seine Freundeskreis-Jury die 35 besten Filme ausgesucht und daraus eine Woche Programm gestaltet. Wichtiges Element dieses familiär anmutenden Unternehmens, bei dem im letzten Jahr auch die Zahl der Zuschauer meist überschaubar blieb, sind die Diskussionsrunden, die jeweils zu einem Thema angeboten werden.
Eröffnet wird die auch als Begegnungswoche für die Filmemacher gedachte Schau am 13. August mit „Zehn Fragen für den Dalai Lama“. Drei Monate musste Regisseur Rick Ray auf den Interview-Termin mit dem Dalai Lama warten und integrierte die Wartezeit in seinen Film. Reflektionen über den Buddhismus und Landschaftsimpressionen aus Indien und Tibet dominieren den ersten Teil des 85-minütigen Streifens, erst in der zweiten Hälfte dann antwortet seine Heiligkeit auf die Fragen des Filmemachers. Originell sollten die sein, wurde ihm zuvor bedeutet, denn nichts hasse der Dalai Lama mehr als Langeweile. So erfährt man unter anderem, dass auch im Kloster zum Frühstück gerne Corn Flakes in hohen Mündern krachen.
Jeder Tag bei „Globians“ hat ein übergeordnetes Thema. Die Woche beginnt mit einer Diskussion um Wertschöpfung und Lohnarbeit sowie Filmen aus Venezuela und Kamerun. Der Dienstag steht im Zeichen der Produktivität, da wird aus der Sicht eines Schweins die schöne neue Landwirtschaft beleuchtet („Meatrix“), aber auch die Produktion von Filmen thematisiert. Mittwoch ist der „Energie-Tag“, wo es um zerstörende Energie (z.B. im Irak, Vietnam und den 11. September) geht und am Ende aber dann der Hoffnungsschimmer positiver Energie aus einem indischen Film über die Sufi-Tradition und moderne Physik kommt. Am Donnerstag mischen sich Frauen- mit anderen Lebensthemen, wie etwa dem lustvollen Motorradfahren. Nanu, eine Ode an Kim Newcombe, den spritverschleudernden australischen Lebemann, der in Berlin die Frauenherzen so laut schlagen ließ, wie sein Motor heulte? Nun, Joachim Polzer wiegt den Kopf, es gibt viel gute Musik und interessantes Archivmaterial aus dem Berlin der 70er Jahre. Indonesien, Mali, Tuvalu und Armenien sind weitere Stationen dieses eigenwilligen, aber durchaus viel versprechenden Filmfestivals. Lore Bardens
Lore Bardens
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