
© Andreas Klaer
Kultur: Die endgültige Teilung Deutschlands Martin Sonneborn im Lindenpark
Krawall – so wie im Veranstaltungstitel „Krawall und Satire“ angekündigt – gab es am Montagabend im Lindenpark überhaupt nicht. Martin Sonneborn, Ex-Titanic-Chefredakteur und in der ZDF-heute-Show im Außendienst tätig, ist auch gar nicht so ein Krawalltyp, auch wenn seine scharfzüngigen Attacken das suggerieren mögen.
Stand:
Krawall – so wie im Veranstaltungstitel „Krawall und Satire“ angekündigt – gab es am Montagabend im Lindenpark überhaupt nicht. Martin Sonneborn, Ex-Titanic-Chefredakteur und in der ZDF-heute-Show im Außendienst tätig, ist auch gar nicht so ein Krawalltyp, auch wenn seine scharfzüngigen Attacken das suggerieren mögen. Im Gegenteil: Sonneborn lebt davon, dass er als äußerst seriös wahrgenommen wird: Wenn einem ein ernst dreinblickender Jackett-Träger mit schütterem Haar ein ZDF-Mikrofon unter die Nase hält, dann hat man wohl als letztes die Idee, gerade nach Strich und Faden verkohlt und vorgeführt zu werden. Aber das genau tut Sonneborn, und zwar mit einer Perfektion, dass alle – Passanten, Bundestagsabgeordnete und Nazis gleichermaßen – in seine Seriösitätsfalle tappen und sich schonungslos selbst entlarven.
Nun gut, wer Sonneborn kennt – und das dürften die meisten im gut gefüllten Lindenpark tun –, dem taten sich an diesem Abend zwar recht wenige Überraschungen auf. Mit der Gründung der Partei „Die Partei“ (Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative) beackert er nun das durch jahrzehntelange Parodie bestens erforschte politische Feld selbst, was wohl nur eine logische Konsequenz ist. Und die „Partei“ (Wahlslogan: „Wählen Sie die Partei – sie ist sehr gut!“) stand auch im Vordergrund der Show: Chronologisch und mit zahlreichen Bildern belegt, die er in einer Art PowerPoint-Präsentation auf die Anwesenden losließ, erklärte Sonneborn Entstehung, Ziele und Aktionen seiner Politik, die auf nichts weniger als „die endgültige Teilung Deutschlands“ zielt. Dieser Auftrag ziert allerdings schon seit Jahrzehnten das Impressum der Titanic und ist nicht mehr als eine Reaktion auf das Axel-Springer-Zitat in der Bild-Zeitung, welches „die Einheit des Vaterlandes in Freiheit“ propagiert – neben der FDP einer der auserkorenen Lieblingsfeinde des Satirikers, von daher war schnell klar, wohin der Hase läuft.
Sonneborn führt sämtliche politische Bestrebungen ad absurdum, indem er Inhaltsleere propagiert („Inhalte haben mit moderner Politik nichts mehr zu tun“), den Wiederaufbau der Mauer glorifiziert, um damit Stimmen zu fangen und ganz besonders die Wahlwerbung mehr oder weniger etablierter Parteien instrumentalisiert, um deren eigene Inhaltslosigkeit zu belegen. Als die Partei zum Hamburger Wahlkampf Plakate aufhing mit dem Slogan „CDU-Wähler aufgepasst! Ole von Beust ist schwul!“, schlug ihr jedoch massive Kritik entgegen – weshalb das Plakat kurzerhand geändert wurde in „Schwule Wähler aufgepasst! Ole von Beust ist in der CDU!“ Und das in Zusammenarbeit mit der Berliner Hip-Hop-Combo KIZ gestaltete Drogenverherrlichungsplakat „Speedlimit? Wir sind dagegen!“ erreichte binnen kürzester Zeit Kultstatus: „Sämtliche Kokser und DJs würden uns wählen, wenn die Wahllokale nicht schon 18 Uhr schließen würden.“
Ist so etwas dann schon Krawall? Nun, Sonneborn braucht den Holzhammer gar nicht erst, ist er doch ein Meister der Rhetorik und ausgesprochen schlagfertig, weshalb ihm die leisen, nicht mit der Tür ins Haus fallenden Töne recht gut zu Gesicht stehen. Und er nutzt für seinen Vorstoß eben auch das Vakuum der Politikverdrossenheit, in dem er – ähnlich der „Anarchistischen Pogo-Partei Deutschlands“ APPD, die bereits vor Jahren mit Slogans wie „Arbeit ist Scheiße“ und „Jugendrente statt Altersrente“ glänzte – als Opposition zur Opposition den Bereich der nichtwählenden Spaßgesellschaft befischt.
Auch für Potsdam hat Sonneborn Politisches parat: Er möchte ja nicht nur das Stadtschloss in ein Parkhaus umfunktionieren, sondern bietet den Potsdamern auch eine neue, noch schönere Kunsthalle an, wenn sie bereit sind, das Angebot Plattners abzulehnen. Einzige Bedingung: Sie muss sich auch für Schauprozesse eignen. Er stelle sich ja schon Merkel, Westerwelle und Gauck in einem Stahlkäfig – ja, richtig, wie Ägyptens Ex-Staatspräsident Mubarak – vor. Sobald die Partei an der Macht ist. Oliver Dietrich
Oliver Dietrich
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: